Beschäftigung, Soziales und Integration

Aktuelles 18/02/2013

Die Sozialwirtschaft schafft neue Geschäftschancen für Frankreich – und Europa

Die in Frankreich bereits hoch entwickelte Sozialwirtschaft ist für die Strategie „Europa 2020“ von besonderer Relevanz.

Die in Frankreich bereits hoch entwickelte Sozialwirtschaft ist für die Strategie „Europa 2020“ von besonderer Relevanz. Im Rahmen der PROGRESS-Initiative (Gemeinschaftsprogramm für Beschäftigung und soziale Solidarität) organisierte Gastgeberland Frankreich eine Peer Review unter dem Motto „Sozialwirtschaft: Fundamente für innovative Antworten auf Gegenwartsprobleme“, die vom 10. bis zum 11. Dezember in Paris stattfand. Neben dem Gastgeberland Frankreich  nahmen  zehn Mitgliedstaaten (Bulgarien, Zypern, Tschechische Republik, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Malta, Niederlande, Rumänien und Slowenien) sowie die beiden europäischen Interessenvertretungen Eurodiaconia und FEANTSA teil.

In Frankreich unterstützen Genossenschaften Existenzgründungen. Dies stellt nur ein Beispiel für die aufstrebende, auf Solidarität basierende Sozialwirtschaft des Landes dar.

Als Übersetzerin und Sprachlehrerin hatte Nadja Berrebi in der Regel fünf oder sechs verschiedene Aufträge und wurde dabei jedoch oft nicht fristgerecht bezahlt. Dann erfuhr sie von der Pariser Genossenschaft COOPANAME. Sie brachte mehrere KundInnen mit und COOPANAME half ihr dabei, zu anderen Kontakt aufzunehmen und ihre eigenen Tarife festzulegen. „Die Genossenschaft verleiht mir Autonomie und ein hohes Maß an Sicherheit“, erklärt sie. Die perfekte Kombination für jede Existenzgründung. Zudem bietet sie kostenlose Schulungen, beispielsweise im IT-Bereich, und ein bereits bestehendes Netzwerk sonstiger Dienstleistungen.

Die Übereinkunft mit COOPANAME besteht darin, dass die Mitglieder für ihre eigene Tätigkeit oder für Tätigkeiten, die sie gemeinsam mit anderen Mitgliedern ausführen, einen Lohn beziehen. Die Bezahlung steht dabei im Verhältnis zum jeweiligen Engagement der Mitglieder für die Genossenschaft. Im Gegenzug hilft COOPANAME allen Mitgliedern dabei, der gewünschten Tätigkeit auf ihre eigene Art und Weise und in ihrem eigenen Tempo nachzugehen und im eigenen Ermessen mit anderen zusammenzuarbeiten.

Ebenso wie andere Genossenschaften in Frankreich ermöglicht auch COOPANAME seinen Mitgliedern, Produkte oder Dienstleistungen zu testen und dabei gleichzeitig von der sozialen Absicherung eines ArbeitnehmerInnenverhältnisses zu profitieren, indem ihnen ein spezieller Status verliehen wird. Diese Programme bilden lediglich einen Teil der florierenden, auf Solidarität basierenden Sozialwirtschaft des Landes. Auf den Sektor entfallen beinahe 10 % des französischen BIPs und mehr als 13,3 % der Beschäftigung im privaten Sektor. Der auf Dienstleistungen, sozialem Handeln, finanziellen Aktivitäten und Bildung basierdende Sektor zählt zu den dynamischsten Teilen der französischen Wirtschaft. Von 2008 bis 2009 wuchs die Sozialwirtschaft um 2,9 % und schuf mehr als 60.000 bezahlte Arbeitsplätze. Im gleichen Zeitraum schrumpfte der Rest des privaten Sektors um 1,6 % und der öffentliche Sektor um 4,2 %.

Peer Review-TeilnehmerInnen  trafen  in Paris zusammen, um die Sozialwirtschaft in der Praxis zu erleben und ihre Bedeutung für den Rest Europas zu analysieren. Frankreich hält in diesem Bereich bereits sehr gut Schritt mit der EU. In ganz Europa treibt die Sozialwirtschaft Innovationen voran und führt zu Verbesserungen bei den sozialen Verhältnissen. Daraus leitet sich auch ihre Bedeutung für die Strategie „Europa 2020“ ab. Diese fordert eine intelligente, nachhaltige und integrative Wirtschaft, bei der Beschäftigung, Produktivität und sozialer Zusammenhalt gefördert werden. Im Rahmen der Leitinitiativen „Innovationsunion“ und „Plattform zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung“ wird die soziale Innovation zur Priorität erhoben.

Europas Sozialwirtschaft legt den Grundstein für die Erschließung neuer Märkte und die Schaffung neuer Arbeitsplätze und leistet einen wesentlichen Beitrag zum europäischen Sozialmodell. Dabei werden nachhaltige Entwicklung und soziale Eingliederung – Kernziele der Strategie „Europa 2020“ – klar gefördert. Die Europäische Union ist somit bestrebt, die bereits umfangreiche Unterstützung für diesen Sektor noch auszubauen.

Bei der im Jahre 2011 ins Leben gerufenen Initiative für eine soziale Unternehmenskultur handelt es sich um einen Aktionsplan auf EU-Ebene zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzmitteln, zur Schaffung von mehr Transparenz und zur Verbesserung des gesetzlichen Rahmens für sozialwirtschaftlich ausgerichtete Unternehmen. Seit nunmehr über 50 Jahren wird die Sozialwirtschaft durch den Europäischen Sozialfonds gefördert. Im Rahmen des neuen Entwurfs der Verordnung über den Europäischen Sozialfonds werden mittels eines höheren Kofinanzierungssatzes Anreize für soziale Innovation und grenzüberschreitende Zusammenarbeit geschaffen. Ein neuer Investitionsschwerpunkt liegt dabei auch auf der Sozialwirtschaft. Bei dem Entwurf der Verordnung zum EU-Programm für sozialen Wandel und soziale Innovation ist ein Budget in Höhe von rund EUR 960 Mio. über einen Zeitraum von sechs Jahren vorgesehen. Davon sollen mindestens 17 % für sozialpolitische Experimentiermethoden – und unter anderem auch für die enorm wichtige Sozialwirtschaft – verwendet werden.

Seite weiterempfehlen