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von Till Voigtländer, österreichischer Vertreter in der Expertengruppe für seltene Krankheiten und Sachverständiger im Gremium der Mitgliedstaaten der Europäischen Referenznetze.

von Till Voigtländer, österreichischer Vertreter in der Expertengruppe für seltene Krankheiten und Sachverständiger im Gremium der Mitgliedstaaten der Europäischen Referenznetze.

Patienten mit seltenen Krankheiten leiden häufig zusätzlich unter etwas, das ihnen genauso die Kraft rauben kann wie ihre Krankheit: Isolation. Das Gefühl, dass niemand anders weiß, was sie durchmachen, dass niemand weiß, wie man ihnen helfen kann, dass nichts investiert wird, um wirksame Arzneimittel oder sogar eine Heilung zu finden, weil zu wenige Menschen diese benötigen.

Doch obwohl es so scheint, sind sie nicht allein. Auch wenn eine seltene Krankheit als ein Leiden definiert ist, von dem höchstens einer von 2000 Menschen betroffen ist, gibt es doch rund 6000 Arten seltener Krankheiten mit insgesamt 30 Millionen Patientinnen und Patienten in der EU.

Und genauso wie sich niemand wegen einer seltenen Krankheit alleine gelassen fühlten sollte, sollte auch niemand im Alleingang Lösungen finden müssen. Wenn wir zusammenarbeiten, können wir eine umfassende Datenbank für Informationen schaffen, mit denen wir bessere Diagnosen, Behandlungen und Unterstützung entwickeln könnten. MitBlick auf unsere bestehenden Wissenslücken können wir Finanzmittel für Forschung und Entwicklung bereitstellen und Anreize für die Arzneimittelhersteller setzen, Medikamente für seltene Krankheiten zu entwickeln. Wir können ein Netz von Fachleuten einrichten, die sich von Patienten mit besonderen Bedürfnissen leicht auffinden lassen.

Wir können das nicht nur tun, wir tun es auch – seit mehr als 15 Jahren mit zunehmendem Erfolg. Schon 1999 startete die Europäische Kommission ihre erste Initiative mit der Erarbeitung der anschließend vom Europäischen Parlament und dem Rat angenommenen EG-Verordnung 141/2000 über Arzneimittel für seltene Leiden. Diese lieferte deutliche Anreize für die Pharmaindustrie, in die Entwicklung von Arzneimitteln für seltene Krankheiten zu investieren. Es folgten weitere Maßnahmen – und Erfolgsgeschichten wie die kontinuierliche Unterstützung und Kofinanzierung von Orphanet, nunmehr die weltweit führende Referenzdatenbank für seltene Krankheiten, und ihre rasche Erweiterung auf praktisch alle EU-Länder und darüber hinaus.

Im Laufe der Zeit führten diese Initiativen mehr und mehr wichtige Akteure mit dem gemeinsamen Ziel zusammen, Menschen mit seltenen Krankheiten zu helfen. Deshalb arbeitet die Europäische Kommission jetzt eng mit den EU-Ländern, der Europäischen Arzneimittelagentur, Beschäftigten im Gesundheitswesen, Patienten und Interessenträgern – darunter Patientenorganisationen wie EURORDIS – zusammen, die jedes Jahr am letzten Februartag den Tag der seltenen Krankheiten veranstalten, um die Menschen für dieses Problem zu sensibilisieren. Und diese Art der Zusammenarbeit findet nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der Kommission statt: die Generaldirektion für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, arbeitet mit der Direktion für Forschung und Entwicklung zusammen, und beide mit der gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission.

Die jüngste Entwicklung bei der Verbindung verschiedener Interessenträger aus ganz Europa ist der von der Europäischen Kommission betriebene, bald abgeschlossene Aufbau der Europäischen Referenznetze: Gerade erst (am 16. März) erging ein erster Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen. Diese Netze beruhen auf der freiwilligen Teilnahme von Gesundheitsdienstleistern aus ganz Europa und sollen dazu beitragen, den Patienten einen leichteren Zugang zu hoch spezialisierter Versorgung zu erleichtern, die europäische Zusammenarbeit im Rahmen der Gesundheitsversorgung zu fördern und Diagnose und Versorgung in medizinischen Fachgebieten zu verbessern, in denen es an Fachwissen fehlt. Außerdem werden die Netze den EU-Ländern mit zu wenigen Patienten helfen, diese Art hoch spezialisierter Gesundheitsversorgung anzubieten, sie werden zu einer schnelleren Verbreitung von Innovationen in Medizinwissenschaft und Gesundheitstechnologie beitragen und als Schnittstellen für medizinische Aus- und Weiterbildung und Forschung, Informationsverbreitung und Auswertung dienen. Letztlich heben sie das Gesundheitswesen auf eine ganz neue Stufe der klinischen und wissenschaftlichen Vernetzung, wie es sie in Europa oder auch anderswo nie zuvor gab.

Die Expertengruppe der Europäischen Kommission für seltene Krankheiten unterstützt die Kommission und ihre Partner durch Ausarbeitung von Rechtsinstrumenten und Strategiepapieren. Außerdem gibt sie Leitlinien und Empfehlungen heraus. Dieses Gremium berät die Kommission zur internationalen Zusammenarbeit, gibt einen Überblick über die Strategien de EU und der einzelnen Länder und organisiert den Austausch von einschlägigen Erfahrungen, politischen Strategien und Verfahren zwischen den EU-Ländern und den verschiedenen beteiligten Parteien.

Noch immer vorangetrieben von der Dynamik des bisher erfolgreichsten Tags der seltenen Krankheiten – mit Veranstaltungen in 85 Ländern am 29. Februar 2016 und mehr als sechs Millionen Menschen, die allein über Facebook erreicht wurden – wird die Expertengruppe am 5. und 6. April in Luxemburg zusammenkommen, um das weitere gemeinsame Vorgehen zu erörtern.