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Der OLAF-Bericht 2022
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Justizielle Empfehlungen

Die Hauptaufgabe des OLAF ist der Schutz der finanziellen Interessen der EU, nicht die Strafverfolgung. Besteht jedoch ein hinreichend begründeter Verdacht zum Vorliegen einer Straftat, so richtet das OLAF eine justizielle Empfehlung an die zuständige Behörde des Mitgliedstaates, Strafverfolgungsmaßnahmen einzuleiten.

Mit der Schaffung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA), die im Juni 2021 ihre Arbeit aufgenommen hat, hat sich die Art und Weise der Aufdeckung, Untersuchung und Verfolgung von Betrug in der EU verändert. Die EUStA hat das Mandat, gegen die Beschuldigten, denen Betrug zulasten der finanziellen Interessen der EU vorgeworfen wird, in 22 EU-Mitgliedstaaten direkt zu ermitteln und sie vor Gericht zu bringen. Darüber hinaus kann die EUStA einen Fall übernehmen (d. h. ihr Evokationsrecht im Einklang mit der Verordnung (EU) 2017/1939 ausüben), den die zuständigen nationalen Behörden im Anschluss an justizielle Empfehlungen des OLAF eingeleitet haben.

Das OLAF richtet keine justiziellen Empfehlungen an die EUStA. Mittelfristig dürfte die Zuständigkeit der EUStA für die strafrechtliche Verfolgung im Bereich des Schutzes der finanziellen Interessen der EU daher zu einem Rückgang der Zahl der vom OLAF abgegebenen justiziellen Empfehlungen führen. Im Jahr 2022 hielt sich dieser Effekt in einem begrenzten Rahmen und die Zahl der abgegebenen justiziellen Empfehlungen (44) blieb im Vergleich zu 2021 unverändert, wenn auch deutlich unter dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre (siehe Statistischer Anhang).

Nach EU-Recht müssen die nationalen Justizbehörden dem OLAF auf sein Ersuchen Informationen über die auf der Grundlage der justiziellen Empfehlungen des OLAF getroffenen Maßnahmen übermitteln. Das OLAF ersucht die nationalen Behörden, an die eine justizielle Empfehlung gerichtet wurde, mindestens einmal jährlich um solche Informationen (justizielle Überwachung). Die justizielle Überwachung ermöglicht es dem OLAF, die Auswirkungen der von ihm untersuchten Fälle vor Ort zu verfolgen – seien es Anklageerhebungen, Fallabweisungen bzw. Verfahrenseinstellungen oder andere justizielle Maßnahmen.

Die daraus resultierenden Zahlen zu den Folgemaßnahmen (siehe Tabelle unten) zeigen mit Blick auf die zwischen 2018 und 2022 ausgesprochenen Empfehlungen des OLAF, dass rund 34 % der Fälle, die das OLAF an Justizbehörden der EU-27-Mitgliedstaaten übermittelt hat und über die diese Behörden bereits entschieden haben, zu Anklagen geführt haben.

Die Justizbehörden der Mitgliedstaaten sind unabhängig und nicht verpflichtet, den Empfehlungen des OLAF Folge zu leisten. Die Ablehnung einer Empfehlung kann unter anderem auf die unterschiedliche Auslegung des EU-Rechts und des nationalen Rechts durch das OLAF und die nationalen Behörden zurückzuführen sein. In anderen Fällen können die nationalen Staatsanwälte die Beweise für kriminelles Fehlverhalten als unzureichend ansehen. Tatsächlich ist das OLAF, trotz seiner erheblichen Untersuchungsbemühungen, aufgrund seiner begrenzten Untersuchungsbefugnisse und praktischer Zwänge bisweilen nicht in der Lage, stichhaltige Beweise für eine Straftat zu sammeln. In solchen Fällen können die nationalen Behörden weitere Ermittlungen anstellen, die dann zu einer Anklageerhebung oder zur Einstellung des Verfahrens führen können. Um diese Probleme anzugehen und die Folgemaßnahmen auf nationaler Ebene zu verbessern, arbeitet das OLAF fortwährend mit den Mitgliedstaaten zusammen, häufig bereits vor Abschluss einer Untersuchung.