EU-Taxonomie

Datum: 07/03/2022
Von Silvia De Iacovo
Der EU-Taxonomie wurde in den letzten Wochen recht viel Aufmerksamkeit zuteil. Aber was genau ist diese Taxonomie? Wie funktioniert sie? Und wie wird sie zum EU-Ziel der Klimaneutralität im Energiesektor beitragen?
Was ist der EU-Rahmen für ein nachhaltiges Finanzwesen?
Seit 2018 hat die EU damit begonnen, einen Rahmen für ein nachhaltiges Finanzwesen zu schaffen, um nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten mehr private Investitionen zuzuleiten. Dieser Rahmen umfasst drei Komponenten: 1) eine „Taxonomie“, d. h. ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Tätigkeiten, 2) ein Offenlegungsrahmen für nichtfinanzielle und finanzielle Unternehmen und 3) Anlageinstrumente, darunter Benchmarks, Standards und Gütesiegel. Mit dem Start der Leitinitiative des europäischen Grünen Deals kommt dem Finanz- und Wirtschaftssektor eine grundlegende Rolle beim Übergang zu den Klima- und Umweltzielen der EU für 2030 und 2050 zu. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, nahm die Kommission im Juli 2021 eine Strategie zur Finanzierung des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft an.
Was ist die EU-Taxonomie und welche Rolle spielt sie im Finanzsektor?
Die EU-Taxonomie ist ein wissenschaftlich fundiertes Klassifikationssystem, das es Finanz- und Nichtfinanzunternehmen ermöglicht, sich bei Investitionsentscheidungen auf eine gemeinsame Definition des Begriffs „Nachhaltigkeit“ zu stützen. Sie definiert und klassifiziert methodisch stringent, was mit dem Ziel vereinbar ist, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Es handelt sich dabei nicht um eine obligatorische Liste von Tätigkeiten, in die Anleger investieren müssen. Vielmehr schafft die Taxonomie eine gemeinsame Sprache für Investoren und Unternehmen und trägt so dazu bei, das Finanzwesen mit den in der Realwirtschaft unternommenen Übergangsbemühungen in Einklang zu bringen.
Die Vorteile sind vielfältiger Art: Die Taxonomie enthält konkrete Kriterien für jeden Sektor und jede Wirtschaftstätigkeit, die es den Unternehmen erleichtern, den Übergang zu planen und anzugehen, aber auch sich zu positionieren und die eigenen Tätigkeiten dem Urteil des Marktes auszusetzen. Darüber hinaus schafft die EU-Taxonomie Klarheit für Anleger und trägt dazu bei, Anreize für Investitionen dort zu schaffen, wo sie am dringendsten benötigt werden. Daneben fördert sie Transparenz und damit Investitionsentscheidungen, die vollumfänglich mit den Klima- und Umweltzielen der EU im Einklang stehen.
Wie können Tätigkeiten nach der EU-Taxonomie als nachhaltig eingestuft werden?
Die Taxonomie-Verordnung nennt sechs Klima- und Umweltziele: 1) Klimaschutz, 2) Anpassung an den Klimawandel, 3) nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, 4) Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, 5) Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, 6) Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme. Daneben werden in der Verordnung vier übergeordnete Bedingungen festgelegt, die eine Wirtschaftstätigkeit erfüllen muss, um als ökologisch nachhaltig zu gelten. Danach sollte eine Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zu einem oder mehreren der Klima- und Umweltziele leisten und keines der anderen Ziele erheblich beeinträchtigen; ferner muss sie unter Einhaltung der in der Verordnung festgelegten sozialen Mindestgarantien ausgeübt werden. Außerdem muss sie die technischen Evaluierungskriterien erfüllen; diese werden mittels delegierter Rechtsakte von der Kommission festgelegt, in deren Befugnis die Auflistung ökologisch nachhaltiger Tätigkeiten liegt. Diese Kriterien stützen sich auf Beiträge externer Sachverständiger, insbesondere der Gruppe technischer Sachverständiger für nachhaltiges Finanzwesen und der Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen. Um weiterhin aktuell zu bleiben, werden die Kriterien für Tätigkeiten im Lichte der jüngsten wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen aktualisiert, um so private Investitionen in zunehmend umweltverträgliche Energielösungen zu mobilisieren.
Wie wird die EU-Taxonomie zu der von der EU angestrebten Klimaneutralität im Energiesektor beitragen?
Ziel der EU-Taxonomie ist der Übergang von umweltschädlicheren Wirtschaftstätigkeiten wie der Kohleverstromung zu einer klimaneutralen Zukunft, in der die Energieversorgung vorwiegend auf erneuerbaren Energiequellen beruht. Erneuerbare Energien haben in der EU-Taxonomie Priorität und sind bereits in einem delegierten Rechtsakt zum Klimaschutz enthalten, in dem technische Evaluierungskriterien für Wirtschaftstätigkeiten festgelegt werden, die wesentlich zu den ersten beiden Klimazielen beitragen. Der delegierte Rechtsakt gilt seit Januar 2022.
Die Ausgangspositionen der Mitgliedstaaten auf dem Weg zur Klimaneutralität sind jedoch sehr unterschiedlich. Einige Teile Europas setzen nach wie vor stark auf die sehr CO2-intensive Kohle. Es wurde ausführlich erörtert, wie die EU-Taxonomie zusätzlich dazu beitragen kann, private Investitionen auf die für die Verwirklichung der Klimaneutralität entscheidenden Wirtschaftstätigkeiten zu lenken. Daher legte die Kommission am 2. Februar 2022 einen ergänzenden delegierten Rechtsakt in Bezug auf bestimmte Tätigkeiten im Gas- und Nuklearbereich und deren potenziellen Beitrag zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel vor.
Unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Empfehlungen und des Stands der Technik wird in dem ergänzenden delegierten Rechtsakt die Rolle bestimmter Kernenergie- und Gastätigkeiten anerkannt, allerdings nur für einen bestimmten Zeitraum und nach Maßgabe ihres Beitrags zum Übergang zur Klimaneutralität. Zweck der EU-Taxonomie ist ein rascherer Übergang zu einer besseren, saubereren und sichereren Zukunft, dementsprechend werden darin nur diesem Ziel dienende Investitionen anerkannt. Die Berücksichtigung von Kernenergie oder Erdgas ist daher an klare Bedingungen bezüglich ihrer Nutzung im Einklang mit den Klimazielen der EU sowie an Schutzmaßnahmen gegen erhebliche Umweltschäden geknüpft. Neben diesen Kriterien wurden zusätzliche Transparenzanforderungen eingeführt, damit für Anleger deutlicher ist, ob und in welchem Umfang Investitionen mit Erdgas- oder Kernenergieaktivitäten verbunden sind, und sie somit fundierte Anlageentscheidungen treffen können.
Wie kann die EU-Taxonomie den Übergang beschleunigen?
Die EU-Taxonomie erkennt die unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten an und trägt gleichzeitig zu Fortschritten in Richtung der Klima- und Umweltziele der EU bei. Letztendlich geht es darum, dass alle Mitgliedstaaten und die EU als Ganzes die gemeinsamen Klimaschutzziele erfüllen. Es liegt nach wie vor voll und ganz in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, über ihren Energiemix zu entscheiden und eine angemessene Balance in Bezug auf Energieversorgungssicherheit und Energiepreisstabilität sowie insbesondere in Bezug auf ihr Engagement für Dekarbonisierung und Klimaneutralität zu erreichen.
Die Taxonomie ist kein Instrument der EU-Energiepolitik, sondern ein Mittel zur Erhöhung der Transparenz auf den Finanzmärkten im Interesse nachhaltiger Investitionen des Privatsektors. Sie enthält keine Vorgaben für Investitionen und steht Investitionen in bestimmte Wirtschaftszweige auch nicht entgegen. Vielmehr soll die Taxonomie dem Markt Orientierung geben und dazu beitragen, den Übergang zur Klimaneutralität voranzutreiben.
Silvia De Iacovo ist im Referat Nachhaltiges Finanzwesen der GD FISMA als Assistentin für politische Fragen tätig.