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Finanzwissen

Die EU setzt sich dafür ein, dass Menschen in ganz Europa über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die sie benötigen, um gute Finanzentscheidungen zu treffen.

Datum:  28/05/2021

Lucile Collin

 

Das Finanzwissen – d. h. das Wissen und die Fähigkeiten, die erforderlich sind, um wichtige finanzielle Entscheidungen zu treffen – ist in Europa zu schwach ausgebildet. Jeden Tag entscheiden Tausende von Menschen, welche Hypothek sie wählen, wo sie ihr Geld anlegen und wie sie für ihren Ruhestand sparen. Der Umfrage „OECD/INFE 2020 International Survey of Adult Financial Literacy“ zufolge fehlt allerdings rund der Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in der EU ein ausreichendes Verständnis grundlegender finanzieller Konzepte. Dies wirkt sich auf die Qualität ihrer Entscheidungen aus. Am 26. April 2021 organisierten die Kommission und die OECD zum Start eines gemeinsamen Projekts, mit dem die Herausforderungen bei der Verbesserung des Finanzwissens in der EU angegangen werden sollen, ein Webinar, um einschlägige Themen zu erörtern.

Warum jetzt?

Die Welt verändert sich schnell, und dies gilt auch für Finanzdienstleistungen. Der digitale Wandel bringt nicht nur Innovation und Fortschritt mit sich, sondern stellt uns auch vor neue Herausforderungen; so übernehmen beim Zugang zu Finanzprodukten und -dienstleistungen zunehmend mobile Apps die Rolle der Bankberater. „Derzeit verfügen viele Menschen nicht über ausreichendes Finanzwissen, um gute finanzielle Entscheidungen zu treffen – vor allem, wenn es um Bereiche wie Risikobewertung, Versicherungen und Anlagen geht“, so Annamaria Lusardi, akademische Direktorin am Global Financial Literacy Excellence Center. Wenngleich die Zahlen insgesamt niedrig sind, ist der Wissensmangel in einigen Teilen der Bevölkerung stärker ausgeprägt als in anderen, und die am meisten gefährdeten Gruppen sind unverhältnismäßig stark betroffen. So schneiden der Umfrage von OECD/INFE zufolge z. B. einkommensschwache Gruppen, jüngere und ältere Menschen sowie Frauen beim Thema Finanzwissen tendenziell schwächer ab als der Rest der Bevölkerung.

Infolge der Pandemie ist der Handlungsbedarf noch dringender geworden. Die bestehenden Unterschiede zwischen finanziell resilienten und finanziell schwachen Haushalten und Gemeinschaften haben sich durch die COVID-19-Krise vergrößert. Zahlreiche Menschen waren von einem plötzlichen Einkommensrückgang getroffen und standen vor unerwarteten Ausgaben, was eine zusätzliche Belastung für sie und ihre Familien bedeutete. Laut dem Thinktank Bruegel ist ein Drittel der EU-Haushalte nicht in der Lage, unter normalen Umständen unerwartete Ausgaben zu tätigen, geschweige denn in Pandemiezeiten. Zusammen mit einem starken Verbraucherschutz, einer angemessenen Produktentwicklung und fairer Beratung spielt Finanzwissen eine wichtige Rolle beim Schutz gefährdeter Gruppen vor wirtschaftlichen Schocks.

Was können wir tun?

Es gibt bereits mehrere Projekte. Auf dem gemeinsamen Webinar der OECD und der Kommission im April hob Olaf Simonse vom niederländischen Finanzministerium die Plattform „Money Wise“ hervor, die das Ministerium ins Leben gerufen hat, um staatliche Partner, Partner aus der Finanzdienstleistungsbranche, NRO und Wissenschaft zusammenzubringen. Zudem hat sich die ebenfalls aus den Niederlanden stammende Aktionswoche „Dutch National Money Week“ zu einer „European Money Week“ und zu einer „Global Money Week“ mit Tausenden von Veranstaltungen und Organisationen entwickelt, die junge Menschen dafür sensibilisiert, wie wichtig Finanzwissen ist.

Auch die Industrie hat ein Interesse an einer finanziell kompetenten Bevölkerung – und trägt hier wohl auch eine Mitverantwortung. Laut Wim Mijs, CEO des Europäischen Bankenverbands, gab es mehrere Initiativen des Bankensektors – von einer Partnerschaft mit der Heilsarmee zur Erreichung schutzbedürftiger Gruppen bis hin zum „European Money Quiz“, an dem 3 000 Kinder aus 28 Ländern teilnahmen.

Auf Seiten der EU setzt sich das spanische MdEP Susana Solís Pérez dafür ein, die Debatte im Europäischen Parlament voranzubringen. „30 % der Unternehmen werden von Frauen gegründet, doch Gründerinnen erhalten nur 2 % aller privaten Investitionen. Das geht nicht“, sagt sie. Zusammen mit anderen Abgeordneten aus verschiedenen Fraktionen hat sie ein Pilotprojekt gestartet, um den Frauenanteil im Anlagebereich zu ermitteln.

Wie geht es weiter?

Auch die Kommission handelt. In ihrem Aktionsplan für die Kapitalmarktunion vom September 2020 bekräftigte die Kommission, dass ein solides Finanzwissen die Grundlage für das finanzielle Wohlergehen der Menschen bildet. Eine aktuelle Studie der Kommission ergab, dass die Kommission und die OECD zusammenarbeiten sollten, um gemeinsame „finanzielle Kompetenzrahmen“ für junge Menschen und Erwachsene zu entwickeln.

In diesen Rahmen werden die Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen dargelegt, die Menschen entwickeln müssen, um für ihr lebenslanges finanzielles Wohlergehen sorgen zu können. Der Ansatz ähnelt z. B. dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen, bei dem Anfänger sich auf dem Niveau A1 bewegen, und Lernende, die sich sehr flüssig in einer Fremdsprache ausdrücken können, in das Niveau C2 eingestuft werden. Die Kompetenzrahmen werden eine gute Grundlage für nationale Strategien und Aktionspläne bieten, die an die unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten angepasst sind. Am wichtigsten ist aber, dass sie von Regierungen, Lehrkräften, Unternehmen, der Zivilgesellschaft, Schulen, Bibliotheken usw. auch genutzt werden.

Kommissarin McGuinness sagte bei ihrer Anhörung vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments im Oktober 2020 klar und deutlich, dass sie eine Vision verfolge, bei der die Menschen im Mittelpunkt stehen. Und bei der Vermittlung von Finanzwissen geht es genau darum, den Menschen Instrumente an die Hand zu geben, damit sie bessere finanzielle Entscheidungen treffen können. Dies wird dazu beitragen, dass die Haushalte resilienter werden. Es wird auch für eine inklusivere Gestaltung unserer Gesellschaften sorgen und zur Erholung und Stärkung unserer Volkswirtschaften beitragen.

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Lucile Collin arbeitet bei der Kommission und ist für die Kommunikation in den Bereichen Finanzdienstleistungen für Privatkunden und digitales Finanzwesen zuständig.