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Interview mit Alexandra Jour-Schröder

Die stellvertretende Generaldirektorin der GD FISMA spricht über ihre ersten Monate im Amt und die anstehenden großen Herausforderungen.

Datum:  01/10/2021

Im März dieses Jahres trat Alexandra Jour-Schröder ihr Amt als stellvertretende Generaldirektorin der Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion (GD FISMA) an. Nach etwas mehr als einem halben Jahr später spricht sie über ihre ersten Monate und die Themen, die sie als die größten Herausforderungen ansieht.

Vor einigen Monaten haben Sie die Aufgabe der Stellvertretenden Generaldirektorin in der GD FISMA übernommen. Wie haben Sie die ersten Monate im Amt erlebt?

Meine ersten Monate in der GD FISMA waren eine spannende Reise in die herausfordernde Welt der Finanzmarktregulierung.  Besonders gefreut habe ich mich, an den Arbeiten zum ökologischen und digitalen Wandel mitwirken zu können.  Das sind zentrale Projekte der EU, bei denen die GD FISMA eine wichtige Rolle spielt.

Der Finanzsektor spielt eine Schlüsselrolle bei der Förderung nachhaltiger Investitionen. Und schon der Anfang war spannend, als die Kommission den ersten delegierten Rechtsakt der EU zur Taxonomie für Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel verabschieden musste. Ich hoffe sehr, dass dieses innovative Instrument einen entscheidenden Beitrag zu unserem gemeinsamen Ziel, ehrgeizige Klimaziele zu erreichen, leisten wird.

Das digitale Finanzwesen ist ein weiteres Thema, dem ich große Aufmerksamkeit gewidmet habe. Der digitale Wandel und die vielen Chancen, die die digitale Revolution bietet, sind Dinge, die wir uns zu eigen machen müssen. An dieser Stelle möchte ich auch die Kryptoanlagen erwähnen, die ein großes Potenzial haben, aber auch einer angemessenen Regulierung bedürfen. Ein weiteres sehr interessantes Projekt – den digitalen Euro – haben wir ebenfalls in Angriff genommen, seit ich zu dieser GD gewechselt bin.

Schließlich konnte ich mich auch zu einer Reihe wichtiger Gesetzesvorhaben einbringen, die wir in den kommenden Wochen und Monaten fertigstellen werden. Dazu zählen Basel III, Solvabilität II, die Überarbeitung von MiFID und MiFIR und die Überarbeitung der Regeln für langfristige Investmentfonds und für Fondsverwalter – um nur einige zu nennen. Kurz gesagt: Es war ein intensiver und sehr erfreulicher Start!

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen im Bereich der europäischen Banken- und Kapitalmarktunion in den kommenden Monaten und Jahren?

Die Bankenaufsicht im Euro-Währungsgebiet ist mit dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) nun voll funktionsfähig. Wir haben während der COVID-19-Krise gesehen, dass sich der EU-Bankensektor in einem viel besseren Zustand befindet als vor 10 Jahren. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass die Bankenunion noch nicht vollendet ist. Der Umgang mit Bankenkrisen und die Entwicklung eines EU-Rahmens für die Einlagenversicherung sind nach wie vor große Herausforderungen, die wir bewältigen müssen. Was die Kapitalmarktunion betrifft, so haben wir mit dem Aktionsplan der Kommission vom September 2020 einen klaren und ehrgeizigen Fahrplan. Nun geht es darum, Taten folgen zu lassen. Wie ich bereits gesagt habe, werden wir in diesem Jahr eine Reihe von Gesetzesinitiativen vorlegen, die es uns ermöglichen sollten, die Kapitalmärkte der EU weiterzuentwickeln. Wir wollen Marktfinanzierungen leichter machen, auch für Projekte, die zum digitalen und ökologischen Wandel beitragen. Zudem werden wir intensiver an einem europäischen Finanzbildungsrahmen arbeiten. Uns liegt insbesondere eine Verbesserung der Finanzkompetenz am Herzen. Ich denke, wir müssen bei der Vermittlung von Finanzwissen wirklich neue Wege beschreiten, um bei jungen Menschen mehr Interesse an Geldfragen zu wecken und ihren Umgang damit zu verbessern.

Sie hatten bereits eine Reihe Positionen sowohl bei der Europäischen Kommission als auch in der deutschen Bundesregierung inne. Was waren die interessantesten Themen oder Bereiche, mit denen Sie befasst waren? Und wie helfen Ihre bisherigen Erfahrungen Ihnen bei Ihrer derzeitigen Aufgabe?

Wenn Sie sich 25 Jahre lang beruflich mit EU-Angelegenheiten beschäftigen, kommen Sie mit vielen interessanten Themen in Berührung. Ich erinnere mich beispielsweise noch sehr gut an die frühen 1990er Jahre im deutschen Wirtschaftsministerium, an die vielen arbeitsintensiven Antragsverfahren, als wir um die Genehmigung der Kommission für umfangreiche Finanzhilfen für den Wiederaufbau der Wirtschaft im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung nachsuchen mussten. Das war eigentlich mein erster Kontakt mit der Europäischen Kommission, bevor ich nach Brüssel zog. Sicher werde ich auch für immer das „gemeinsame Ladegerät“ im Gedächtnis behalten  – eines der Projekte, an dem ich in der GD Industriepolitik gearbeitet habe. Obwohl wir mit der Industrie die Vereinbarung erzielen konnten, dass ein einziges Ladegerät ausreichen sollte, um alle Mobiltelefone und -geräte aufzuladen, hat diese Vereinbarung leider nicht lange gehalten. Deshalb bin ich sehr froh, dass es jetzt Fortschritte auf dem Weg zu einem Rechtsakt gibt, der ein gemeinsames, energieeffizientes Ladegerät verbindlich vorschreiben soll. Mit der Einrichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft haben wir vor 10 Jahren begonnen, Betrug bei der Verwendung von EU-Mitteln zu bekämpfen. Als das Amt im Juni dieses Jahres seine Arbeit aufnahm, ist für mich ein Traum wahr geworden. Nicht zuletzt habe ich mit dem Team der GD Justiz und Verbraucher die Einführung der EU-Sammelklage betraut, mit der die Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU erstmals das Recht auf kollektiven Rechtsschutz wahrnehmen können.

Während Ihrer Zeit in der GD JUST waren Sie an den Arbeiten der EU zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung beteiligt, die in den Zuständigkeitsbereich der GD FISMA fallen. Was wären Ihrer Meinung nach die wichtigsten Schritte, die die EU unternehmen muss, um dieses Problem anzugehen?

Die Arbeit im Bereich der Geldwäsche und der Finanzkriminalität hat mich in der Tat schon seit einigen Jahren begleitet – das wird sicherlich so weitergehen, jetzt, wo das neue Paket zur Bekämpfung der Geldwäsche auf dem Verhandlungstisch liegt. Mit den Vorschriften der 4. und 5. Geldwäscherichtlinie, die mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht bieten, haben wir in unserem Umgang mit einem ernsten Problem von globaler Tragweite eine neue Dimension erreicht. Es gibt jedoch ein Problem bei der konkreten Umsetzung der Vorschriften. Oft fehlen die technischen Fähigkeiten, um kriminelle Aktivitäten vor Ort zu verhindern und zu verfolgen. Deshalb verfolgt unser Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Geldwäsche vom Juli einen noch ehrgeizigeren Ansatz mit einer unmittelbar anwendbaren Verordnung und der Einrichtung der Behörde zur Geldwäschebekämpfung. Dabei handelt es sich um eine hochspezialisierte Agentur mit direkten Aufsichtsbefugnissen gegenüber größeren Finanzinstituten. Ich bin zuversichtlich, dass es uns mit diesen Neuerungen gelingt, die EU sicherer zu machen.

 

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