EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung

Datum: 31/03/2021
Der Europäische Rat und das Europäische Parlament haben die Kommission aufgefordert, die Entwicklung von europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen zu prüfen. Die Kommission hat bereits verschiedene vorbereitende Schritte unternommen, um die Entwicklung solcher Standards zu beschleunigen. So hat sie zum Beispiel die Europäische Beratungsgruppe für Rechnungslegung (EFRAG) aufgefordert, zu untersuchen, wie diese Standards aussehen könnten und einen Fahrplan für ihre Entwicklung vorzuschlagen. Dazu wurde eine Arbeitsgruppe verschiedener Interessenträger/innen unter dem Vorsitz von Patrick de Cambourg, dem Präsidenten der französischen Behörde für Rechnungslegungsnormen (Autorité des normes comptables), eingerichtet. Außerdem hat die Kommission Jean-Paul Gauzès, Präsident der EFRAG und ehemaliger Europaabgeordneter, dazu aufgefordert, Empfehlungen für mögliche Änderungen der Arbeitsweise der EFRAG für den Fall abzugeben, dass diese mit der Entwicklung der Standards betraut werden sollte. Die EFRAG veröffentlichte beide Berichte am 8. März 2021. Die Kommission wird die Empfehlungen aus den Berichten bei den laufenden Arbeiten zur Überarbeitung der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen prüfen und gegebenenfalls in ihren Vorschlag aufnehmen, den sie voraussichtlich im April 2021 veröffentlichen wird.
Berichterstattung über Nachhaltigkeit
Das Ökosystem für ein nachhaltiges Finanzwesen kann nur funktionieren, wenn die Unternehmen standardisierte, vergleichbare, zuverlässige und relevante Informationen zur Nachhaltigkeit bereitstellen. Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter benötigen diese Informationen, um Nachhaltigkeitsrisiken und die Auswirkungen ihrer Anlagen und Kreditportfolios auf Gesellschaft und Umwelt zu steuern. Auch gemeinnützige und andere zivilgesellschaftliche Organisationen brauchen Informationen zur Nachhaltigkeit, damit sie Unternehmen beobachten und sie für die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf andere Lebensbereiche zur Rechenschaft ziehen können. Gemeinsame Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung würden den derzeitigen Rahmen für die Berichterstattung von Unternehmen wesentlich verbessern und entscheidend dazu beitragen, dass Nachhaltigkeits- und Finanzberichterstattung den gleichen Stellenwert erhalten.
Der Gauzès-Bericht enthält Anregungen, wie die Entwicklung von Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in einen systematischen und inklusiven Prozess eingebettet werden kann. So könnten etwa nationale und europäische Behörden einbezogen und gleichzeitig das Fachwissen von privaten und zivilgesellschaftlichen Organisationen berücksichtigt werden. In dem Bericht wird auch vorgeschlagen, eine neue „zweite Säule“ innerhalb der EFRAG einzurichten, die die Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung ausarbeiten würde. Die bestehende Säule der Finanzberichterstattung bliebe weitgehend unverändert. Beide Säulen der EFRAG könnten in der vorgeschlagenen Struktur eng zusammenarbeiten, was angesichts der zunehmenden Wechselwirkung zwischen Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung vorteilhaft wäre.
Standards setzen
In dem Cambourg-Bericht wird ein Fahrplan für die Ausarbeitung umfassender, dynamischer EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgeschlagen. Die Standards sollten so festgelegt werden, dass
- die politischen Ziele und rechtlichen Bestimmungen der EU berücksichtigt werden, zum Beispiel die wichtigsten Pfeiler der EU-Agenda für ein nachhaltiges Finanzwesen wie die Taxonomie-Verordnung und die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten;
- sie für KMU verhältnismäßig sind und ein Gleichgewicht gefunden wird zwischen 1.) den spezifischen Führungsstrukturen, der Organisation und den Ressourcen von KMU und 2.) der Notwendigkeit, dass KMU Informationen zur Nachhaltigkeit bereitstellen, die für ihre Stakeholder (insbesondere Finanzinstitute und Stakeholder entlang der Wertschöpfungskette) relevant sind;
- die Schlüsselrolle, die immaterielle Werte bei der Entwicklung von nachhaltigen Unternehmen und somit auch bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung spielen, berücksichtigt wird.
In dem Bericht wird betont, dass Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung angemessen miteinander verknüpft werden müssen und dass Standards nicht nur Informationen über die vergangene Leistung bieten, sondern auch zukunftsorientiert sein müssen. Der Bericht untersucht außerdem detailliert, wie sich das Konzept der „doppelten Wesentlichkeit“ praktisch auf Standardsetzer und Unternehmen auswirkt. Dieses Konzept besagt, dass Unternehmen sowohl über die Nachhaltigkeitsrisiken, denen sie ausgesetzt sind, berichten sollten, als auch über die Auswirkungen ihrer eigenen Tätigkeit auf Menschen und Umwelt.
Künftige Standards
In dem Cambourg-Bericht werden drei Ebenen der Berichterstattung empfohlen: branchenunabhängig (alle Unternehmen müssen unabhängig von ihrer Branche Auskünfte machen), branchenspezifisch (Auskünfte, die die besonderen Risiken und Auswirkungen einer bestimmten Branche widerspiegeln) und unternehmensspezifisch (Auskünfte, die ein Unternehmen zu Fragen machen kann, die für seine spezifische Situation relevant sind). Die Standards würden sämtliche Themen, die mit Nachhaltigkeit zusammenhängen, abdecken und sich dabei an der bewährten Berichtsstruktur Umwelt, Soziales und Governance (ESG) orientieren. Sie wären in drei große Bereiche unterteilt, in denen Auskünfte gemacht werden: die Unternehmensstrategie, die Umsetzung der Strategie und die Messung der erbrachten Leistung.
Die Festlegung gut durchdachter und ausgewogener finanzieller Standards hat Jahrzehnte gedauert. So viel Zeit bleibt uns für die Nachhaltigkeitsstandards leider nicht. Der Bericht schlägt daher vor, zunächst mit Standards anzufangen, die die drei Nachhaltigkeitskriterien („ESG“) und die genannten drei Bereiche für die Berichterstattung abdecken. Die Standards würden dann in einer zweiten Phase und in einem fortlaufenden Prozess inhaltlich verbessert.
Internationale Dimension
In beiden Berichten wird betont, dass die Festlegung von Standards auf internationalen Initiativen mit ähnlichen Zielen aufbauen und eine partnerschaftliche und konstruktive Zusammenarbeit angestrebt werden sollte. Der Gauzès-Bericht schlägt einen strukturierten Dialog zwischen europäischen und globalen Standardsetzungsinitiativen vor und regt an, gemeinsame Projekte für neue Standards anzustoßen, wo dies angebracht scheint. Ferner wird die Einrichtung eines Konsultationsforums vorgeschlagen, in dem sich die EFRAG mit nationalen und internationalen Standardsetzungsgremien abstimmen würde.
Diese Berichte geben der Diskussion über die Nachhaltigkeitsberichterstattung europäischer Unternehmen wichtige Impulse. Die Kommission wird in ihrem endgültigen Vorschlag für die Überarbeitung der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen den Empfehlungen beider Berichte Rechnung tragen. Mit der Überarbeitung dieser Richtlinie soll die Grundlage für nachhaltige Investitionen, die im Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen als besonders wichtig hervorgehoben wurden, gestärkt werden.
Mehr zu den Berichten:
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/mex_21_1062
https://ec.europa.eu/info/publications/210308-efrag-reports_en