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Diese Artikel wurde im September 2018 archiviert.

Seit sich das sozialpolitische Kapitel des Vertrags von Amsterdam (1997) zu einer treibenden Kraft für die Erstellung von Sozialstatistiken in der Europäischen Union (EU) entwickelt hat, ist der Bedarf an Daten zu Lebensbedingungen und sozialer Sicherheit gestiegen. Diese Entwicklung wurde durch mehrere Tagungen des Europäischen Rates verstärkt, auf denen die soziale Dimension weit oben auf der politischen Agenda stand. Unterdessen sind sowohl die Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung als auch die Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum darauf ausgerichtet, das einzigartige europäische Sozialmodell durch optimale Förderung von Beschäftigung, Produktivität und sozialem Zusammenhalt zu erhalten und weiter auszubauen.

Mehrere „Europäische Jahre“ haben die Aufmerksamkeit auf verschiedene Aspekte der Lebensbedingungen in der EU gelenkt, beispielsweise das Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle (2007), das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (2010), das Europäische Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen (2012) oder das Europäische Jahr der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (2017).

Europa 2020

Mit der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum hat die Europäische Kommission eine Wachstumsstrategie für dieses Jahrzehnt vorgelegt. Eine der sieben Leitinitiativen der Strategie ist die Europäische Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung. Sie soll:

  • für wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt sorgen;
  • die Anerkennung der Grundrechte von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffener Menschen gewährleisten und ihnen ein Leben in Würde und aktive Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen;
  • dazu beitragen, dass Menschen in ihr lokales Umfeld integriert werden, eine Berufsausbildung erhalten, einen Arbeitsplatz finden und Zugang zu Sozialleistungen bekommen.

Die Plattform basiert auf fünf Aktionsbereichen:

  • Durchführung von Maßnahmen quer durch das politische Spektrum, beispielsweise in Bezug auf den Arbeitsmarkt, auf Mindesteinkommen, Gesundheitsversorgung, Bildung, Wohnen und Zugang zu Basiskonten;
  • bessere Nutzung der EU-Fonds zur Unterstützung der sozialen Eingliederung, beispielsweise des Europäischen Sozialfonds zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung;
  • Förderung evidenzbasierter sozialpolitischer Innovationen;
  • Zusammenarbeit mit Partnern aus der Zivilgesellschaft, um die Umsetzung sozialpolitischer Reformen wirksamer zu unterstützen;
  • Verbesserung der politischen Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten.

Um die Fortschritte messbar zu machen, lautet eins der fünf Kernziele der Strategie Europa 2020, dass die Anzahl der Personen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, bis 2020 um 20 Millionen gesenkt werden soll. Auf dieser Grundlage wurden nationale Zielvorgaben für die einzelnen EU-Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Herausforderungen und Voraussetzungen des jeweiligen Landes festgelegt.

Das Europäische Semester bildet den Rahmen für die Überwachung der wirtschaftlichen und sozialen Reformen, die durchgeführt werden, um die Europa-2020-Ziele zu erreichen. Im Rahmen der angestrebten Armutsbekämpfung wurde größeres Gewicht auf soziale Aspekte gelegt, auf die in den folgenden Jahreswachstumsberichten und Gemeinsamen Beschäftigungsberichten der Europäischen Kommission eingegangen wurde. Wachsende Besorgnis gilt dem anhaltend hohen Maß an Ungleichheit in der EU, die mit dazu beitragen könnte, dass die Wirtschaftsleistung der EU und das Potenzial für nachhaltiges Wachstum nicht voll ausgeschöpft werden können. Solche Entwicklungen sind nicht nur unter dem Aspekt sozialer Gerechtigkeit, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen (wegen des unzureichend genutzten Humankapitals) besorgniserregend.

Europäische Säule sozialer Rechte

Auf politischer Ebene wurden immer mehr Aspekte einbezogen, um ein integrativeres und nachhaltigeres Wachstumsmodell zu entwickeln, indem die Wettbewerbsfähigkeit gefördert wird und in der EU die Voraussetzungen für Investitionen, Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt verbessert werden. Die Europäische Säule sozialer Rechte beinhaltet eine Reihe von Grundsätzen zur Unterstützung fairer und gut funktionierender Arbeitsmärkte und Sozialsysteme. Sie soll eine Erneuerung des Konvergenzprozesses hin zu besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen anstoßen. Die meisten Instrumente für solche Veränderungen verbleiben bei den einzelnen EU-Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft. Aber auch die Europäische Kommission spielt eine wichtige Rolle, da sie die Rahmenbedingungen setzt und die Richtung vorgibt. Die Europäische Säule sozialer Rechte war ursprünglich für den Euroraum konzipiert, doch sie ist in allen EU-Mitgliedstaaten anwendbar, die sich daran beteiligen möchten.

Im April 2017 legte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine interinstitutionelle Proklamation zur europäischen Säule sozialer Rechte (COM(2017) 251 final) vor. Darin werden drei große Bereiche genannt: Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang, faire Arbeitsbedingungen sowie Sozialschutz und soziale Inklusion. Sie umfassen insgesamt 20 Vorschläge, die darauf abzielen, den Bürgerinnen und Bürgern wirksamere Rechte zu gewähren.

Die Europäische Säule sozialer Rechte soll als Kompass für effiziente beschäftigungspolitische und soziale Ergebnisse dienen, wobei der Schwerpunkt auf das Abschneiden in den Bereichen Beschäftigungs- und Soziales im Kontext der Steigerung der Widerstandsfähigkeit der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) (auf Englisch) gelegt wird. In der Europäischen Säule werden einige Rechte bekräftigt, die bereits Teil des Besitzstands der EU sind. Sie werden durch neue Grundsätze ergänzt, die auf die Herausforderungen abzielen, die sich aus gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen ergeben. Diese Grundsätze betreffen alle Unionsbürgerinnen und -bürger und Drittstaatsangehörige mit rechtmäßigem Wohnsitz in der EU.

Sozialinvestitionspaket

Soziale Investitionen sind Investitionen in Menschen. Dabei geht es um Strategien, die es Menschen ermöglichen sollen, ihre Fähigkeiten und Qualifikationen zu verbessern und sich uneingeschränkt am Arbeits- und Gesellschaftsleben zu beteiligen. Dazu sollen politische Initiativen in Bereichen wie Bildung, Kinderbetreuung, Gesundheitsversorgung, Weiterbildung, Hilfe bei der Arbeitssuche und Wiedereingliederung entwickelt werden. In ihrem Sozialinvestitionspaket (SIP) fordert die Europäische Kommission die EU-Mitgliedstaaten auf, ihre Sozialsysteme durch Strategien zur aktiven Eingliederung und eine bessere und wirksamere Verwendung ihrer Sozialhaushalte zu modernisieren. Dieser integrative politische Rahmen berücksichtigt die sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Er zielt ab auf:

  • Sozialschutzsysteme, die den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden, um einem möglichen sozialen Zusammenbruch vorzubeugen und so höhere Sozialausgaben in der Zukunft zu vermeiden;
  • eine einfachere und gezieltere Sozialpolitik, um angemessene und nachhaltige Sozialschutzsysteme bereitzustellen;
  • eine Ausweitung aktiver Eingliederungsstrategien in den Mitgliedstaaten, beispielsweise in Form von erschwinglicher guter Kinderbetreuung und Bildung, vorbeugenden Maßnahmen gegen vorzeitigen Schulabbruch, Aus- und Weiterbildung und Hilfe bei der Arbeitsuche, Wohngeld und zugänglicher Gesundheitsversorgung.

Das Paket stellt eine Aufforderung dar, auf die Bedürfnisse unter anderem von Kindern und jungen Menschen, Arbeitsuchenden, Frauen, älteren Menschen, Menschen mit Behinderungen und Obdachlosen einzugehen. Dazu werden Initiativen gefördert, die ein breiteres Angebot an gesünderen und besser qualifizierten Arbeitskräften hervorbringen, die Beschäftigungssituation verbessern, die Produktivität steigern und soziale Eingliederung fördern und so mehr Wohlstand und ein besseres Leben für alle ermöglichen sollen. Auf diese Aspekte ging die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung „Sozialinvestitionen für Wachstum und sozialen Zusammenhalt – einschließlich Durchführung des Europäischen Sozialfonds 2014-2020“ (COM(2013) 83 final) ein, in der sie die EU-Mitgliedstaaten auffordert, die in dem Paket erläuterten Maßnahmen und Strategien rund um die folgenden drei Hauptachsen umzusetzen:

  • verstärkte Sozialinvestitionen als Bestandteil des Europäischen Semesters;
  • bestmögliche Nutzung der EU-Fonds zur Förderung von Sozialinvestitionen;
  • Straffung von Governance und Berichterstattung.

Sozialschutz

Sozialschutzsysteme sollen Risiken absichern und Bedürfnisse abdecken, wenn es um Arbeitslosigkeit, elterliche Verantwortung, Krankheit und Gesundheitsversorgung, Invalidität, Verlust eines Ehepartners oder Elternteils, Alter, Wohnung und soziale Ausgrenzung geht. Den politischen Rahmen für den Sozialschutz bilden im Wesentlichen die Strategie Europa 2020 und die offene Koordinierungsmethode für Sozialschutz und soziale Eingliederung, die sozialen Zusammenhalt und Chancengleichheit durch angemessene, zugängliche und finanziell tragfähige Sozialschutzsysteme und Maßnahmen zur sozialen Eingliederung durch eine Koordinierung der Maßnahmen zwischen den EU-Mitgliedstaaten in Bereichen wie Armut und soziale Ausgrenzung, Langzeitpflege und Altersrenten sichern soll. Es ist ein freiwilliger Prozess politischer Zusammenarbeit, der sich auf die Vereinbarung gemeinsamer Ziele und das Messen der Fortschritte auf dem Weg zu diesen Zielen anhand von Indikatoren und Benchmarks stützt.

Datenquellen

Die Daten von Eurostat zu Lebensbedingungen und sozialer Sicherheit stammen hauptsächlich aus zwei Quellen. Auf ihrer Grundlage lässt sich eine große Bandbreite von Indikatoren zu sozialer Eingliederung, Beschäftigung und Sozialpolitik erfassen:

Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Datenquellen, die ebenfalls zur Analyse der Lebensbedingungen in der EU herangezogen werden können. Dazu zählen unterschiedliche sozioökonomische Bereiche wie Bevölkerungsstatistik, Gesundheitsstatistik, Statistiken zu Bildung und Weiterbildung, Arbeitsmarktstatistik, Hauspreisindizes, Erhebungen über die Wirtschaftsrechnungen der privaten Haushalte sowie Statistiken zu Verbrechen und Strafjustiz (zur letztgenannten Datenquelle siehe Abschnitt „Datenquellen“ in dem entsprechenden Artikel).

EU-Statistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC)

Hauptquelle für die Erstellung der EU-Statistiken über Einkommen, soziale Integration und Lebensbedingungen ist die EU-Statistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC). Sie erfasst vergleichbare multidimensionale Mikrodaten, u. a. zu Einkommen, Armut, sozialer Ausgrenzung, Wohnen, Arbeit, Bildung und Gesundheit. Die Daten werden im Allgemeinen für private Haushalte und Haushaltsmitglieder nach monetären und nichtmonetären Aspekten erhoben.

Die Verordnung (EG) Nr. 1177/2003 für die Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) gibt den Rahmen für die EU-SILC vor und enthält genaue Bestimmungen zur Gestaltung der Erhebung, zu Merkmalen, Datenübermittlung, Veröffentlichung und Entscheidungsprozessen. Ergänzt wird sie durch mehrere Durchführungsverordnungen und spezielle Module für die Datenerhebung mit weiteren Bestimmungen zu Definitionen, Abweichungen, Feldarbeit, Regeln für die Stichprobenauswahl, Qualitätsberichten und mit sogenannten sekundären Variablen, die seltener erhoben werden.

Die Kernvariablen der EU-SILC werden jedes Jahr erhoben. Ergänzt werden sie durch jährliche Ad-hoc-Module mit zusätzlichen Variablen zur Datenerhebung, die noch nicht erfasste Aspekte der sozialen Eingliederung beleuchten sollen.

Die EU-SILC ist ist die wichtigste Datenquelle für die Artikel über People at risk of poverty or social exclusion (auf Englisch), Statistiken über die Einkommensverteilung und Wohnstatistiken.

Europäisches System integrierter Sozialschutzstatistiken (ESSOSS)

Das Europäische System integrierter Sozialschutzstatistiken (ESSOSS) wurde entwickelt, weil ein spezifisches Instrument für die statistische Beobachtung der Sozialschutzsysteme der EU-Mitgliedstaaten benötigt wurde. Mit diesem gemeinsamen Rahmen können Verwaltungsdaten zum Sozialschutz, zu Sozialleistungen für private Haushalte und zu ihrer Finanzierung zwischen einzelnen Ländern verglichen werden. Sozialleistungen sind Transferleistungen in Form von Geld- oder Sachleistungen, die private Haushalte zur finanziellen Entlastung bei bestimmten Risiken oder Bedürfnissen in Bezug auf Invalidität/Behinderung, Krankheit/Gesundheit, Alter, Hinterbliebene, Familie/Kinder, Arbeitslosigkeit, Wohnen und soziale Ausgrenzung erhalten.

Wie die EU-SILC besteht auch das ESSOSS aus einem Kernsystem und ergänzenden Modulen. Während das Kernsystem jährliche quantitative und qualitative Daten ab 1990 zu Einnahmen und Ausgaben im Bereich des Sozialschutzes nach Sozialschutzsystemen enthält, liefern die Module zusätzliche statistische Daten zu bestimmten Aspekten des Sozialschutzes wie Rentenempfänger (seit 2008) oder Nettosozialleistungen (seit 2010).

Das ESSOSS enthält eine Reihe von Daten, die Vergleiche zwischen den 28 EU-Mitgliedstaaten sowie Island, Norwegen, der Schweiz, Serbien und der Türkei ermöglichen. Die Rechtsgrundlage für diese Datenerhebung bildet die Verordnung (EG) Nr. 458/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Europäische System integrierter Sozialschutzstatistiken (ESSOSS). Ergänzt wird sie durch eine Reihe von Durchführungsverordnungen zu anderen Aspekten wie den angemessenen Formaten für die Datenübermittlung, zur Veröffentlichung der Ergebnisse oder zu Maßnahmen im Zusammenhang mit der Datenqualität. Detaillierte Informationen enthält das Handbuch mit dem Nutzerleitfaden (ESSPROS manual and user guidelines — 2016 edition (auf Englisch)).

Das ESSOSS ist die Hauptdatenquelle für einen Artikel über die Sozialschutzstatistik.

Siehe auch

Weitere Informationen von Eurostat

Veröffentlichungen

Statistische Bücher und Pocketbooks

Statistik kurz gefasst

Statistische Arbeitspapiere

Haupttabellen

Datenbank

Spezieller Bereich

Weblinks