breadcrumb.ecName
de Deutsch

Ein Gewinn für Geflüchtete und die alternde Bevölkerung Europas

  • 13 July 2021

Das Interreg-Projekt „In de zorg, uit de zorgen“ (In die Pflege – Beruflich Sorgenfrei) integrierte mehr als 140 Geflüchtete und Eingewanderte in den Gesundheitssektor in der Euroregion Maas-Rhein. Damit reagierte die Initiative auf zwei Herausforderungen: die Integration von Geflüchteten und Migrierten in die europäische Gesellschaft und den Mangel an Gesundheitspersonal für die Betreuung der alternden Bevölkerung in Europa.

Das Projekt diente für Familiehulp als echter Augenöffner. Wir lernten eine ganz andere Seite der Geflüchteten kennen. Es handelt sich um Menschen mit Träumen und Hoffnungen, die vielseitig talentiert sind. Durch das Projekt konnten mehrere Geflüchtete eine Arbeitsstelle bei Familiehulp annehmen. Das Projekt hat uns neue Partnerschaften und Zugang zu neuen Netzwerken vermittelt.

Ann Demeulemeester, Generaldirektorin der belgischen Pflegeorganisation Familiehulp

Acht Projektpartner, die sich in Belgien, Deutschland und den Niederlanden mit der Betreuung von Geflüchteten und der Pflege älterer Menschen befassen, entwickelten Ausbildungsprogramme, damit Geflüchtete, die sich für eine Karriere in diesem Bereich interessieren, die notwendigen Kompetenzen erwerben können. Zugleich stellte das Projekt sicher, dass ältere Menschen und die derzeitigen Pflegekräfte die neuen Arbeitskräfte akzeptierten. Das dreijährige Projekt endete im März 2021.

Die Partner erarbeiteten umfassende Leitlinien und dokumentierten bewährte Verfahren, die auf der Projektwebsite zur Verfügung stehen und die sie auch auf einer Konferenz vorstellten, um anderen bei der Umsetzung ähnlicher Initiativen zu helfen.

Eine alternde Bevölkerung

In den vergangenen zehn Jahren sind jeden Monat Zehntausende Geflüchtete in Europa angekommen, wobei die Zahlen in den Jahren 2015 und 2017 ihren Höhepunkt erreichten. Die Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung für sie ist ein wichtiger Aspekt ihrer erfolgreichen Integration in ihre neuen Gemeinschaften. Dazu müssen sie Hindernisse überwinden, darunter sprachliche und kulturelle Barrieren und fehlende Kompetenzen.

Der Mangel an Pflegepersonal in Europa wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich noch verschärfen, da immer mehr Menschen in den Ruhestand gehen und immer weniger in den Beruf einsteigen, was zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass junge Menschen die Region verlassen. Die alternde Bevölkerung und die Zunahme chronischer Krankheiten wie Demenz und Krebs vergrößern diese Problematik zusätzlich.

Laut Eurostat wird das Durchschnittsalter in der EU in den drei Jahrzehnten zwischen 2020 und 2040 voraussichtlich um 4,5 Jahre steigen und im Jahr 2050 48,2 Jahre erreichen. Die Anzahl der Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter (20-65 Jahre), die sich um ältere Menschen kümmern können, wird Prognosen zufolge von knapp vier pro älterer Person in der EU im Jahr 2001 auf zwei im Jahr 2050 sinken. Die höchsten Abhängigkeitsquoten werden für Italien (66,5 %), Griechenland (68,1 %) und Portugal (68,8 %) erwartet.

Ein ganzheitliches Konzept

Im Rahmen des Projekts wurde ein konkret auf den Gesundheitssektor zugeschnittenes Programm erstellt. In auf Dialogen basierenden Sprachkursen wurde das mit der Arbeit verbundene Vokabular gelehrt. Die Auszubildenden wurden vom Lehrpersonal in der einschlägigen Theorie unterrichtet und erhielten die Möglichkeit, Erfahrungen am Arbeitsplatz zu sammeln, um ihr Interesse und ihre Motivation für die Arbeit zu vertiefen. Die in der Koordination des Projekts tätigen Personen waren für die Teilnehmenden in den gesamten Ablauf eingebunden.

Die Auszubildenden mussten sich daran gewöhnen, Menschen zu waschen und mit ihren körperlichen Gebrechen umzugehen. Die Teilnehmenden wurden ermutigt, offen und unvoreingenommen über diese Aspekte ihrer Arbeit zu sprechen. Dieser Austausch war für alle eine Bereicherung. In einem solchen Fall erzählten die Teilnehmenden ihren Ausbildenden anschließend: „Sie hatten Recht, ich kümmere mich um Menschen, egal welchen Geschlechts.“

Erwartungen übertroffen

Ziel des Projekts war es, 150 Geflüchteten bei der Suche nach einem Praktikumsplatz oder einer Arbeitsstelle zu helfen und die Sichtweise von 150 Pflegekräften zu verändern. Gemäß abschließender Bewertung erreichte das Projekt 329 Geflüchtete und 429 Pflegekräfte.

Insgesamt hat „In de zorg, uit de zorgen“ sowohl die Wahrnehmung der Pflege durch die Geflüchteten als auch die Sichtweise der derzeitigen Arbeitskräfte und der älteren Menschen positiv beeinflusst. Die Geflüchteten wurden während ihrer Ausbildung gut betreut und fühlten sich auf die Aufnahme einer Tätigkeit in diesem Sektor vorbereitet. Die Seniorinnen und Senioren akzeptierten ihr neues Pflegepersonal, und die Auszubildenden waren motiviert zu lernen.

Die Chancen auf die erfolgreiche Aufnahme einer Tätigkeit wurden durch eine gute Betreuung und Schulung durch engagierte Führungskräfte in den Pflegeeinrichtungen und die Unterstützung durch kollegiale Pflegekräfte verbessert.

Dem Bericht zufolge benötigen Geflüchtete Unterstützung für den Weg zur Arbeit, Kinderbetreuung und Einkommen. In Belgien wurde im Projekt festgestellt, dass Personen mit Flüchtlingsstatus, sobald sie eine Arbeit oder eine Ausbildung aufnehmen, selbst wenn es sich nur um eine Teilzeitbeschäftigung handelt, jegliche staatliche Arbeitslosenunterstützung verlieren, was sie in eine finanziell schlimmere Lage versetzt. In den Niederlanden konnte dieses Problem mit finanzieller Unterstützung der Gemeinde Sittard-Geleen gelöst werden.

Die Philosophie „In die Pflege – Beruflich Sorgenfrei“ wurde in ähnliche Programme verschiedener Regionen integriert, oft mit Unterstützung und Anregungen eines Teils der Projektorganisationen.

Ein Ziel ansteuern

Nadia, eine der erfolgreichen Auszubildenden, ist sicher, das Projekt habe ihr geholfen, ihren Traumjob zu finden. Sie wurde von WZC Toermalien, einer Einrichtung für betreutes Wohnen im belgischen Gent eingestellt. Dies half ihr und ihrer Familie nicht nur, sich in die neue Umgebung zu integrieren, sondern gab ihr auch ein Gefühl von Sinn und Gemeinschaft. Sie genießt den soziale Aspekt ihrer Arbeit so sehr, dass sie ihre Patientinnen und Patienten selbst an ihren freien Tagen besucht.

Kwame wurde als Pfleger bei Familiehulp eingestellt. Während seines ersten Praktikums empfand er es als unangenehm, Menschen beim Toilettengang oder beim Waschen zu helfen. „Aber das habe ich überwunden“, sagt er. „Man merkt, dass man so viel Dankbarkeit erfährt und so viel zurückbekommt, dass es einen dazu bringt, noch mehr zu tun.“

Gesamtinvestition und EU-Mittel 

Die Gesamtinvestition für das Projekt „In de zorg, uit de zorgen“ beläuft sich auf 2 111 863 EUR, an der sich der Europäische Fonds für regionale Entwicklung mit 1 055 931 EUR im Rahmen des operationellen Programms „Interreg V-A Belgien-Deutschland-Niederlande (Euregio Meuse-Rhin/Euregio Maas-Rijn/Euregio Maas-Rhein)“ für den Programmplanungszeitraum 2014-2020 beteiligt. Die Investition fällt unter die Priorität „Förderung der Zusammenarbeit bei Bildung und Ausbildung“.