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Statistiken zur Einkommensarmut

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Datenauszug vom Mai 2019.

Aktualisierung des Artikels geplant: Oktober 2020.

Im Fokus

Die Armutsgefährdungsquote (nach sozialen Transfers) in der EU sank im Jahr 2017 auf 16,9 % (-0,4 Prozentpunkte).

Im Jahr 2017 überschritten 8,7 % der EU-Bevölkerung durch soziale Transfers die Armutsgrenze.

Die 20 % der Bevölkerung mit dem höchsten verfügbaren Einkommen in der EU im Jahr 2017 erwirtschafteten 5,1-mal so viel Einkommen wie die unteren 20 %.

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Armutsgefährdungsquote, 2017

In diesem Artikel werden aktuelle Statistiken zu monetärer Armut und Einkommensungleichheiten in der Europäischen Union (EU) analysiert. Länderübergreifende Vergleiche der Lebensstandards stützen sich häufig auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf, mit dem der Wohlstand eines Landes in monetären Kategorien im Vergleich zu anderen Ländern dargestellt wird. Diese Zahlen sagen jedoch nur wenig über die Einkommensverteilung innerhalb eines Landes aus, und sie liefern auch keine Angaben über die nicht-monetären Faktoren, die eine wichtige Rolle bei der Bestimmung der Lebensqualität der Bevölkerung spielen können. Einerseits können die Ungleichheiten bei der Einkommensverteilung Anreize schaffen, die eigene Situation durch persönlichen Einsatz, Innovation oder den Erwerb neuer Kompetenzen zu verbessern. Andererseits werden sie häufig als Ursache für Kriminalität, Armut und soziale Ausgrenzung angesehen.

Vollständiger Artikel

Armutsgefährdungsquote und -schwelle

Ein leichter Aufwärtstrend der Armutsgefährdungsquote (nach sozialen Transfers), der 2010 mit 16,5 % einsetzte, ist in der EU-28 erkennbar. Während der Zeitraum von 2011 bis 2013 nur geringe Schwankungen aufwies, führte ein sprunghafter Anstieg um 0,5 Prozentpunkte im Jahr 2014 zu den höchsten Werten in diesem Zeitraum in drei aufeinanderfolgenden Jahren (17,2 % bzw. 17,3 %). Für das Jahr 2017, das Jahr mit den jüngsten verfügbaren Daten, wurde ein Rückgang auf 16,9 % (- 0,4 Prozentpunkte) beobachtet.

Abbildung 1: Armutsgefährdungsquote und Armutsgefährdungsschwelle, 2017
Quelle: Eurostat (ilc_li01) und (ilc_li02)

Hinter dieser auf die EU-28 bezogenen Zahl, die als gewichteter Durchschnitt der Ergebnisse der einzelnen Mitgliedstaaten berechnet wird, verbergen sich erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen EU-Mitgliedstaaten (siehe Abbildung 1). In neun Mitgliedstaaten, nämlich Rumänien (23,6 %), Bulgarien (23,4 %), Litauen (22,9 %), Lettland (22,1 %), Spanien (21,6 %), Estland (21,0 %), Italien (20,3 %), Griechenland (20,2 %) und Kroatien (20,0 %), galt ein Fünftel der Bevölkerung oder mehr als armutsgefährdet. Gleiches galt für Serbien (25,7 %), Nordmazedonien und die Türkei (beide 22,2 %). Die niedrigsten Anteile der armutsgefährdeten Bevölkerung wurden unter den Mitgliedstaaten in Tschechien (9,1 %) und Finnland (11,5 %) registriert, während Island (8,8 % – Daten von 2016) einen noch geringeren Anteil der von Armut bedrohten Bevölkerung verzeichnete.

Die Armutsgefährdungsschwelle (siehe auch Abbildung 1) ist auf 60 % des nationalen medianen verfügbaren Äquivalenzeinkommens festgesetzt. Für räumliche Vergleiche wird sie oft in Kaufkraftstandards (KKS) ausgedrückt, um die Unterschiede bei den Lebenshaltungskosten in den einzelnen Ländern zu berücksichtigen. Die Einkommenswerte für diese Schwelle variierten zwischen den EU-Mitgliedstaaten 2017 erheblich und reichten von 3182 KKS in Rumänien bis 14 006 KKS in Österreich, wobei der Schwellenwert in Luxemburg (17 604 KKS) deutlich oberhalb dieser Spanne lag. Auch in Serbien (3 087 KKS), Nordmazedonien (3 179 KKS) und der Türkei (3 987 KKS) war die Armutsgrenze relativ niedrig, während sie in Island (13 316 KKS – Daten von 2016), Norwegen (15 740 KKS) und der Schweiz (16 225 KKS) relativ hoch war.

Abbildung 2: Armutsgefährdungsquote nach sozialen Transfers, 2017
(Anteil an Bevölkerung ab 16 Jahren in %)
Quelle: Eurostat (ilc_li02)


Unterschiedliche Gruppen der Gesellschaft sind in unterschiedlichem Maße von monetärer Armut bedroht
Im Jahr 2017 bestand in der EU-28 bei der Armutsgefährdungsquote (nach sozialen Transfers) nur eine geringe Differenz zwischen den Geschlechtern; mit den jüngsten Quoten von 15,5 % bei den Männern und 17,1 % bei den Frauen war sie bei den Frauen höher (siehe Abbildung 2). Die größten geschlechtsspezifischen Unterschiede wurden 2017 in Estland (6,0 Prozentpunkte), Lettland (5,8 Prozentpunkte), Litauen (5,0 Prozentpunkte), Tschechien (4,0 Prozentpunkte), Bulgarien (3,8 Prozentpunkte) und Slowenien (3,2 Prozentpunkte) beobachtet. Irland, Kroatien, Zypern, Belgien, das Vereinigte Königreich, Italien, Malta, Österreich und Deutschland meldeten ebenfalls Armutsgefährdungsquoten für Frauen, die um mindestens 2,0 Prozentpunkte höher waren als für Männer, was auch für die Schweiz galt. In Dänemark dagegen war die Armutsgefährdungsquote für Männer um einen Prozentpunkt höher als für Frauen. Dies war auch in Nordmazedonien (1 Prozentpunkt) der Fall.


Tabelle 1: Armutsgefährdungsquote nach sozialen Transfers, aufgeschlüsselt nach dem häufigsten Erwerbsstatus, 2017
(Anteil an Bevölkerung ab 18 Jahren in %)
Quelle: Eurostat (ilc_li04)


Die Unterschiede bei den Armutsgefährdungsquoten waren größer, wenn die Bevölkerung nach dem Erwerbsstatus klassifiziert wurde
Die Arbeitslosen bilden eine besonders gefährdete Gruppe (siehe Tabelle 1): Fast die Hälfte (47,8 %) aller Arbeitslosen in der EU-28 war im Jahr 2017 armutsgefährdet, wobei Deutschland mit 70,6 % die bei weitem höchste Quote aufwies. Zehn weitere EU-Mitgliedstaaten (Litauen, Bulgarien, Malta, Lettland, Luxemburg, das Vereinigte Königreich, Rumänien, Ungarn, Schweden und Estland) berichteten, dass 2017 mindestens die Hälfte der Arbeitslosen armutsgefährdet war.

Etwa jeder siebte (14,2 %) Rentner in der EU-28 war 2017 von Armut bedroht. In Estland (46,1 %), Lettland (43,7 %), Litauen (36,7 %) und Bulgarien (32,4 %) waren die Quoten mindestens doppelt so hoch wie der EU-28-Durchschnitt.

Erwerbstätige waren in deutlich geringerem Maße von Armut bedroht (im Durchschnitt 9,4 % für die gesamte EU-28 im Jahr 2017). Relativ hohe Quoten armutsgefährdeter Erwerbstätiger wiesen Rumänien (17,4 %) und in geringerem Maße Luxemburg (13,7 %) und Spanien (13,1 %) auf, während Griechenland, Italien, Portugal und Ungarn ebenfalls berichteten, dass 2017 jeweils mehr als jeder zehnte Erwerbstätige von Armut bedroht war.

Abbildung 3: Armutsgefährdungsquote nach Haushaltstyp, Haushalte ohne abhängige Kindern, 2017
(in % der angegebenen Bevölkerung)
Quelle: Eurostat (ilc_li03)


Die Armutsgefährdungsquoten sind zwischen Haushalten mit einer unterschiedlichen Zusammensetzung von Erwachsenen und unterhaltsberechtigten Kindern nicht gleichmäßig verteilt
Von den Haushalten ohne unterhaltsberechtigte Kinder (siehe Abbildung 3) waren Einpersonenhaushalte mit 26,0 % im Jahr 2017 in der EU-28 am ehesten armutsgefährdet. Die Armutsgefährdungsquote bei Haushalten mit zwei oder mehr Erwachsenen war mit 11,1 % hingegen weniger als halb so hoch. Insbesondere Haushalte mit zwei Erwachsenen, von denen mindestens einer 65 Jahre oder älter ist, waren mit 11,1 % genauso armutsgefährdet.

Die meisten EU-Mitgliedstaaten vermeldeten ein ähnliches Muster: Von den Haushalten ohne unterhaltsberechtigte Kinder wiesen Einpersonenhaushalte in allen Mitgliedstaaten die höchsten Armutsgefährdungsquoten auf; eine Ausnahme bildete Malta, wo Haushalte mit zwei Erwachsenen, von denen mindestens einer 65 Jahre oder älter war, stärker armutsgefährdet waren (25,8 % gegenüber 25,5 % bei Einpersonenhaushalten). Ähnlich stellte sich die Situation in Nordmazedonien dar, allerdings wiesen Einpersonenhaushalte bei den drei analysierten Haushaltstypen die niedrigste Quote (7,1 %) auf.

In 13 von 28 EU-Mitgliedstaaten war die Armutsgefährdungsquote für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen, in dem mindestens eine Person 65 Jahre oder älter war, niedriger als die für die weiter gefasste Kategorie aller Haushalte mit zwei oder mehr Erwachsenen; dies betraf vor allem Griechenland, wo die Differenz 6,6 Prozentpunkte betrug. Demgegenüber lag die Armutsgefährdungsquote für Haushalte mit zwei Erwachsenen, in denen mindestens eine Person 65 Jahre oder älter war, in Malta um 13,5 Prozentpunkte höher als in allen Haushalten mit zwei oder mehr Erwachsenen. Dieses Muster wurde auch in der Schweiz beobachtet (8,5 Prozentpunkte).

Abbildung 4: Armutsgefährdungsquote nach Haushaltstyp, Haushalte mit abhängige Kindern, 2017
(in % der angegebenen Bevölkerung)
Quelle: Eurostat (ilc_li03)


Bei Haushalten mit unterhaltsberechtigten Kindern wiesen Einpersonenhaushalte mit über einem Drittel (35,3 %) die höchste Armutsgefährdungsquote in der EU-28 auf
Bei Haushalten mit zwei Erwachsenen (siehe Abbildung 4) und nur einem unterhaltsberechtigten Kind war die Quote mit 12,6 % etwas mehr als halb so hoch wie bei Haushalten mit drei oder mehr unterhaltsberechtigten Kindern (26,9 %). Von den drei in Abbildung 4 dargestellten Haushaltstypen meldeten alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Ungarn, dass „Haushalte mit zwei Erwachsenen und einem unterhaltsberechtigten Kind“ am wenigsten armutsgefährdet waren; in Ungarn wurde das geringste Armutsrisiko bei Haushalten mit zwei Erwachsenen und drei oder mehr unterhaltsberechtigten Kindern festgestellt (14,2 %). Die meisten EU-Mitgliedstaaten berichteten, dass Einpersonenhaushalte mit unterhaltsberechtigten Kindern am stärksten armutsgefährdet waren. Ausnahmen bildeten Fälle, bei denen die Quote für Haushalte mit zwei Erwachsenen und drei oder mehr Kindern höher war: insbesondere in Rumänien (61,9 % gegenüber 31,2 %) und Bulgarien (65,0 % gegenüber 35,7 %) sowie in geringerem Maße in Portugal (Unterschied von 8,3 Prozentpunkte) und Spanien (Unterschied von 3,3 Prozentpunkte). Dies galt auch für die Schweiz (Unterschied von 4,3 Prozentpunkte) sowie für alle drei Beitrittsländer, für die Daten vorliegen.

Abbildung 5: Armutsgefährdungsquote vor und nach Sozialtransfers, 2017
(in % der Bevölkerung)
Quelle: Eurostat (ilc_li02) und (ilc_li10)


Als Mittel zur Verringerung von Armut und sozialer Ausgrenzung können Sozialschutzmaßnahmen eingesetzt werden
Dies kann beispielsweise durch die Verteilung von Sozialleistungen erreicht werden. Eine Möglichkeit, den Erfolg von Sozialschutzmaßnahmen zu bewerten, ist der Vergleich der Indikatoren für die Armutsgefährdung vor und nach sozialen Transfers (siehe Abbildung 5). Im Jahr 2017 konnte durch die sozialen Transfers die Armutsgefährdungsquote der Bevölkerung der EU-28 von 25,6 % vor sozialen Transfers auf 16,9 % nach sozialen Transfers verringert und damit für 8,7 % der Bevölkerung die Armutsgefährdung beseitigt werden. Ohne soziale Transfers wären diese Bevölkerungskreise von Armut bedroht.

Vergleicht man die Armutsgefährdungsquoten vor und nach den sozialen Transfers, so waren die Auswirkungen der Sozialleistungen – durch die höchstens 6,0 % der Menschen die Armutsgrenze überschritten – in Bulgarien (5,8 %), Portugal (5,3 %), der Slowakei (5,1 %), Italien (4,9 %), Rumänien (4,7 %) und Griechenland (3,8 %) sowie in Serbien (5,9 %), Nordmazedonien (3,7 %) und der Türkei (2,1 %) gering.

Betrachtet man die relativen Auswirkungen, so überschritt die Hälfte oder mehr aller Personen, die in Finnland, Irland und Dänemark von Armut bedroht waren, durch soziale Transfers die Schwelle, wie dies auch in Island und Norwegen der Fall war.

Einkommensungleichheiten

Die Regierungen, die politischen Entscheidungsträger und die Gesellschaft als Ganzes können Armut und soziale Ausgrenzung nur dann wirksam bekämpfen, wenn auch wirtschaftliche und soziale Unterschiede innerhalb der Gesellschaft analysiert werden. Besonders wichtig für die Schätzung der relativen Armut sind Daten über die wirtschaftliche Ungleichheit, denn die Verteilung der ökonomischen Ressourcen kann in direktem Zusammenhang mit Ausmaß und Tiefe der Armut stehen.

Abbildung 6: Ungleichheit der Einkommensverteilung, 2017
(Anteilsverhältnis der Einkommensquintile)
Quelle: Eurostat (ilc_di11)

Im Jahr 2017 bestanden ganz erhebliche Ungleichheiten in der Verteilung der Einkommen: Ausgehend vom nach der Bevölkerungszahl gewichteten Durchschnittswert der nationalen Daten der einzelnen EU-Mitgliedstaaten waren die Einkommen der oberen 20 % der Bevölkerung (mit dem höchsten verfügbaren Äquivalenzeinkommen) 5,1-mal so hoch wie die der unteren 20 % der Bevölkerung (mit dem niedrigsten verfügbaren Äquivalenzeinkommen) (siehe Abbildung 6). Diese Quote variierte in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten erheblich, von 3,4 in Slowenien und Tschechien über mehr als 6,0 in Griechenland, Lettland, Rumänien, Spanien, bis hin zu mehr als 7,0 in Litauen und Rumänien und einem Höchstwert von 8,2 in Bulgarien. Von den Drittstaaten in Abbildung 6 verzeichneten Island (3,3 – Daten von 2016) und Norwegen (3,9) ebenfalls besonders niedrige Quoten bei der ungleichen Einkommensverteilung, während die Quoten in der Türkei (8,7) und Serbien (9,4) höher als in jedem EU-Mitgliedstaat waren.

Die Ungleichheiten, die von vielen verschiedenen Gruppen der Gesellschaft wahrgenommen werden, sind auch für die Politik von Bedeutung. Dabei erfährt vor allem die Gruppe der älteren Menschen besondere Aufmerksamkeit, was zum Teil darauf zurückzuführen sein dürfte, dass ein wachsender Anteil der EU-Bevölkerung 65 Jahre und älter ist. Die Rentensysteme können bei der Bekämpfung der Armut älterer Menschen eine wichtige Rolle übernehmen. In diesem Zusammenhang ist es aufschlussreich, die Einkommen älterer Menschen mit denen der übrigen Bevölkerung zu vergleichen.

Abbildung 7: Relatives Einkommensmedianverhältnis, 2017
Quelle: Eurostat (ilc_pnp2)

In der gesamten EU-28 betrug das Medianeinkommen der Einwohner im Alter von 65 Jahren oder älter im Jahr 2017 92 % des Medianeinkommens der Bevölkerung unter 65 Jahren
In vier EU-Mitgliedstaaten (Luxemburg, Frankreich, Griechenland und Italien) war das Medianeinkommen der älteren Menschen höher als das Medianeinkommen der Bevölkerung unter 65 Jahren (siehe Abbildung 7). Dies war auch in Nordmazedonien (1,12), Serbien (1,03) und der Türkei (1,01) der Fall. In Spanien, Ungarn, Österreich, Rumänien, Polen und Portugal lag das Medianeinkommen der älteren Menschen bei 90 % bis 100 % desjenigen der unter 65-Jährigen. Dies war auch in Island (Daten von 2015) und Norwegen der Fall. Quoten unter 80 % wurden in Belgien, Schweden, Dänemark, Tschechien, Bulgarien, Malta, Litauen, Lettland und Estland verzeichnet. Relativ niedrige Anteile dürften hauptsächlich die jeweiligen Rentenansprüche widerspiegeln.

Abbildung 8: Relativer Medianwert der Armutsgefährdungslücke, 2017
(in %)
Quelle: Eurostat (ilc_li11)

Der Grad der Armut, mithilfe dessen sich quantifizieren lässt, wie arm die Armen sind, kann anhand des relativen Medianwerts der Armutsgefährdungslücke bestimmt werden. Das Medianeinkommen der armutsgefährdeten Bevölkerung in der EU-28 lag 2017 bei durchschnittlich 24,1 % unter der Armutsgefährdungsschwelle (siehe Abbildung 8). Diese Schwelle liegt bei 60 % des nationalen verfügbaren Medianäquivalenzeinkommens aller Personen. Unter den EU-Mitgliedstaaten lag das Medianeinkommen der von Armut bedrohten Personen in Rumänien am weitesten unter der Armutsgrenze (34,5 %). Eine Armutsgefährdungslücke von über 25,0 % meldeten auch Lettland, die Slowakei, Kroatien, Portugal, Litauen, Italien, Griechenland, Bulgarien und Spanien. Noch größer war die Lücke in Serbien (38,8 %) und Nordmazedonien (37,3 %). Die geringste Armutsgefährdungslücke unter den EU-Mitgliedstaaten wies Finnland auf (13,7 %), gefolgt von Zypern (15,1 %). Auch in Island war die Lücke mit 15,3 % (Daten von 2016) besonders gering.


Quelldaten für Tabellen und Diagramme


Datenquellen

Die EU-Statistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) wurde 2003 auf der Grundlage einer freiwilligen Vereinbarung zwischen Eurostat, sechs EU-Mitgliedstaaten (Österreich, Belgien, Dänemark, Griechenland, Irland und Luxemburg) und Norwegen erstmals durchgeführt. Die EU-SILC wurde eingeführt, um eine Datenbasis für Indikatoren mit Bezug zu Einkommen und Lebensbedingungen zu schaffen – die Rechtsgrundlage für die Datenerhebung bildet die Verordnung (EG) Nr. 1177/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates.

Im Jahr 2004 lief die Erhebung offiziell in 15 Mitgliedstaaten an und in 2005 wurde die EU-SILC auf alle damaligen Mitgliedstaaten der EU-25 sowie auf Island und Norwegen ausgeweitet. Bulgarien und die Türkei führten die EU-SILC 2006, Rumänien 2007, die Schweiz 2008, Kroatien hingegen im Jahr 2010 ein. Daten für Nordmazedonien liegen seit dem Jahr 2010 und für Serbien ab 2013 vor. Die EU-SILC umfasst sowohl eine Querschnitt- als auch eine Längsschnittdimension.

Das verfügbare Haushaltseinkommen ist die Summe der gesamten monetären Einkommen aller Haushaltsmitglieder aus allen Quellen (einschließlich Einkünften aus Erwerbstätigkeit, Anlagen und Sozialleistungen), wobei Einkommen auf Haushaltsebene hinzugerechnet, Steuern und Sozialbeiträge hingegen abgezogen werden. Um Unterschiede in der Haushaltsgröße und -zusammensetzung widerzuspiegeln, wird diese Summe durch die Anzahl der „äquivalenten Erwachsenen“ unter Verwendung einer einheitlichen (Äquivalenz-)Skala, der „modifizierten OECD“-Skala, geteilt, die dem ersten Erwachsenen im Haushalt ein Gewicht von 1,0, jedem nachfolgenden Haushaltsmitglied ab 14 Jahren ein Gewicht von 0,5 und den unter 14-jährigen Haushaltsmitgliedern ein Gewicht von 0,3 zuweist. Das Ergebnis, das sogenannte verfügbare Äquivalenzeinkommen, wird den einzelnen Haushaltsmitgliedern zugeordnet. Für die Erstellung der Armutsindikatoren wird das verfügbare Äquivalenzeinkommen berechnet, indem das gesamte verfügbare Haushaltseinkommen durch die Haushaltsäquivalenzgröße geteilt wird. Folglich ergibt sich für jede in dem Haushalt lebende Person dasselbe Äquivalenzeinkommen.

Der Einkommensbezugszeitraum ist ein festgelegter Zeitraum von zwölf Monaten (z. B. das vorhergehende Kalender- oder Steuerjahr); dies gilt für alle Länder außer dem Vereinigten Königreich, bei dem der Einkommensbezugszeitraum das laufende Jahr ist, und Irland, wo die Erhebung fortlaufend durchgeführt und die Einkommensdaten für die vorangegangenen zwölf Monate erhoben werden.

Die Armutsgefährdungsquote ist definiert als der Anteil der Personen mit einem verfügbaren Äquivalenzeinkommen unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle ausgedrückt in Kaufkraftstandards (KKS), die bei 60 % des nationalen verfügbaren Medianäquivalenzeinkommens liegt. Im Einklang mit den Beschlüssen des Europäischen Rates wird die Armutsgefährdungsquote im Verhältnis zur Situation des jeweiligen EU-Mitgliedstaates und nicht über einen gemeinsamen Schwellenwert ermittelt. Die Armutsgefährdungsquote kann vor oder nach sozialen Transfers angeführt werden, wobei die Differenz zwischen beiden Werten den hypothetischen Einfluss der nationalen sozialen Transfers auf die Verringerung der Armutsgefährdung angibt. Alters- und Hinterbliebenenrenten gelten als Einkommen vor Transfers und nicht als soziale Transfers. Zu diesem Indikator sind verschiedene Untergliederungen verfügbar, beispielsweise nach Alter, Geschlecht, Erwerbsstatus, Haushaltstyp und Bildungsgrad. Hierbei ist zu beachten, dass mit diesem Indikator nicht der Wohlstand gemessen wird, sondern dass er vielmehr eine Maßzahl für ein aktuell geringes Einkommen (im Vergleich zu den übrigen Einwohnern desselben Landes) ist, das nicht zwangsläufig auf einen geringen Lebensstandard schließen lässt. Die Daten der EU-28 und der Eurozone sind bevölkerungsgewichtete Durchschnittswerte der Daten für die Mitgliedstaaten.

Kontext

Auf der Tagung des Europäischen Rates von Laeken im Dezember 2001 sprachen sich die europäischen Staats- und Regierungschefs für einen ersten Satz einheitlicher statistischer Indikatoren für soziale Ausgrenzung und Armut aus, der von der Untergruppe „Indikatoren“ des Ausschusses für Sozialschutz (SPC) kontinuierlich weiter verfeinert wird. Diese Indikatoren sind ein wesentlicher Bestandteil der offenen Methode der Koordinierung (OMK), mit der die Fortschritte der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung überwacht werden.

Die EU-SILC dient heute als Bezugsquelle für statistische Daten der EU über Einkommen und Lebensbedingungen und insbesondere für Indikatoren für soziale Ausgrenzung. Im Zusammenhang mit der Strategie Europa 2020 vereinbarte der Europäische Rat im Juni 2010 ein Leitziel für die soziale Eingliederung, nämlich die Verringerung der Anzahl der von sozialer Ausgrenzung bedrohten bzw. armutsgefährdeten Personen in der EU gegenüber 2008 um mindestens 20 Millionen Personen bis 2020. EU-SILC ist die Quelle für die Messung der Fortschritte bei der Verwirklichung dieses Leitziels, das anhand eines Indikators gemessen wird, der die Armutsgefährdungsquote, die Quote der erheblichen materiellen Entbehrung und den Anteil der Menschen, die in Haushalten mit äußerst niedriger Erwerbsintensität leben, kombiniert – weitere Informationen finden Sie im Artikel über Menschen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind.

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