Archive:Statistiken zum Sozialschutz
- Datenauszug vom Juni 2017. Neueste Daten: Weitere Informationen von Eurostat, Haupttabellen und Datenbank. Die deutsche Sprachversion dieses Artikels wird im Juli 2018 archiviert.
In diesem Artikel werden die jüngsten statistischen Daten zum Sozialschutz in der Europäischen Union (EU) analysiert. Der Sozialschutz umfasst Maßnahmen öffentlicher und privater Stellen zur Verringerung der Belastungen durch bestimmte Risiken oder Bedürfnisse, die für private Haushalte und Einzelpersonen entstehen. Unterstützung, die auf einer Vereinbarung auf Gegenseitigkeit oder einer individuellen Vereinbarung beruht, fällt nicht darunter.
Wichtigste statistische Ergebnisse
Jüngste Entwicklungen der Sozialschutzausgaben
Da die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise in der gesamten EU-28 zu spüren waren, stiegen die Sozialschutzausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen 2008 und 2009 um 2,8 Prozentpunkte (siehe Tabelle 1). Dahinter verbarg sich ein Anstieg der Sozialschutzausgaben insgesamt (in jeweiligen Preisen) um 4,3 %, während gleichzeitig das BIP um 5,7 % zurückging. In den Jahren 2010 und 2011 stiegen die Sozialschutzausgaben wertmäßig um 3,8 % bzw. 1,9 %. Da das BIP in jeweiligen Preisen schneller zunahm, fielen die Sozialschutzausgaben im Verhältnis zum BIP 2010 und 2011 um 0,1 bzw. 0,3 Prozentpunkte zurück. 2012 sah die Entwicklung wieder anders aus; die Sozialschutzausgaben und das BIP erhöhten sich um 3,3 % bzw. 1,9 %, sodass die Sozialschutzausgaben im Verhältnis zum BIP um 0,4 Prozentpunkte auf 28,7 % stiegen. 2013 kam es zu einem weiteren Anstieg, und zwar um 0,2 Prozentpunkte auf 28,9 %.
Die jüngsten verfügbaren Daten beziehen sich auf 2014, als die Sozialschutzausgaben in der EU-28 insgesamt um 2,6 % stiegen. Da jedoch das Wirtschaftswachstum etwas schneller zunahm, verringerte sich das Verhältnis der Sozialschutzausgaben zum BIP um 0,2 Prozentpunkte auf 28,7 %. 2014 war das Verhältnis der Sozialschutzausgaben zum BIP 2,8 Prozentpunkte höher als 2008, während die Sozialschutzausgaben im Berichtszeitraum in der EU-28 insgesamt um 18,5 % (durchschnittlich 2,9 % pro Jahr) stiegen.
In Bezug auf die Höhe der Sozialschutzausgaben im Verhältnis zum BIP lagen 2014 Frankreich (34,3 %) und Dänemark (32,9 %) an der Spitze, aber auch Finnland, die Niederlande, Belgien und Österreich meldeten Werte von mindestens 30,0 %. Dagegen lagen die Sozialschutzausgaben in folgenden Ländern bei unter 20,0 % des BIP: Ungarn, Tschechische Republik, Polen, Bulgarien, Slowakei, Malta, Estland, Rumänien, Litauen und Lettland (wo mit 14,5 % der niedrigste Anteil verzeichnet wurde). Die Türkei verzeichnete mit 12,1 % einen noch niedrigeren Wert.
In Finnland lagen die Sozialschutzausgaben im Verhältnis zum BIP 2014 um 6,8 Prozentpunkte über dem Stand von 2008. Dies war der höchste in diesem Zeitraum in einem EU-Mitgliedstaat verzeichnete Anstieg. Es folgte Zypern mit einer Zunahme von 5,4 Prozentpunkten. Die Niederlande, Dänemark und Spanien meldeten für den Zeitraum 2008 bis 2014 Zunahmen im Bereich von 4,0 bis 5,0 Prozentpunkten; das galt auch für Norwegen. In Polen, Litauen und Ungarn dagegen gingen die Sozialausgaben im Verhältnis zum BIP 2014 unter den Stand von 2008 zurück.
Bereinigung von Preisunterschieden
Mit dem Kaufkraftstandard (KKS) ist es möglich, bei den Sozialschutzausgaben pro Kopf Ländervergleiche unter Berücksichtigung der Unterschiede im Preisniveauindex (PNI) anzustellen (siehe Abbildung 1). Am höchsten waren die Sozialschutzausgaben pro Einwohner 2014 in Luxemburg [1] (14 900 KKS pro Einwohner), in einigem Abstand gefolgt von Dänemark, den Niederlanden, Österreich, Frankreich, Deutschland, Belgien, Schweden und Finnland, wo die Sozialschutzausgaben mehr als 9 000 KKS pro Einwohner betrugen. Im Gegensatz dazu lagen die Aufwendungen in Lettland, Bulgarien und Rumänien bei 2 600 KKS pro Einwohner. Diese Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedstaaten sind zum Teil durch das Wohlstandsgefälle zu erklären; sie können aber auch durch Unterschiede bei den Sozialschutzsystemen, der Bevölkerungsentwicklung, den Arbeitslosenquoten und anderen sozialen, institutionellen und wirtschaftlichen Faktoren zustande kommen.
Vergleich von Brutto- und Nettoleistungen
Die Unterschiede zwischen den Steuer- und Transfersystemen beeinträchtigen die Vergleichbarkeit der Sozialschutzausgaben zwischen den EU-Mitgliedstaaten in beträchtlichem Maße. 2014 wurde die Differenz zwischen den Brutto- und den Nettoausgaben für Sozialschutzleistungen in der EU-28 auf 2,2 % des BIP geschätzt, wobei erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestanden. Am größten war die Differenz in Prozent des BIP bei den Mitgliedstaaten, in denen auch der Anteil der Bruttoausgaben am BIP höher ausfiel (siehe Abbildung 2). Beim Verhältnis zwischen Nettoausgaben und BIP sind die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten nicht so groß wie bei den Bruttoausgaben.
Werden die Sozialschutzausgaben im Verhältnis zum BIP dargestellt, beträgt der Unterschied zwischen den EU-Mitgliedstaaten mit dem höchsten und dem niedrigsten Ausgabenniveau brutto 18,3 Prozentpunkte (Frankreich 32,2 % und Litauen 14,0 %), für die Nettoausgaben dagegen 16,6 Prozentpunkte (Frankreich 30,4 % und Litauen 13,8 %) (siehe Abbildung 3). Auch in der Rangfolge der Mitgliedstaaten nach Brutto- oder Nettoausgaben bestanden erhebliche Unterschiede. Beispielsweise nahmen die Niederlande bei den Bruttoausgaben (im Verhältnis zum BIP) den 7. Rang unter den Mitgliedstaaten ein, bei der Einstufung nach Nettoausgaben aber nur noch den 14. Rang.
Analyse der Leistungen
2014 machten die Sozialschutzleistungen 96,3 % der Sozialschutzausgaben der EU-28 aus; der Rest entfiel auf Verwaltungskosten und andere Ausgaben (siehe Abbildung 4). Auf Alterssicherungs- und Gesundheitsleistungen/Gesundheitswesen entfielen insgesamt 66,9 % der Sozialschutzausgaben, während Leistungen für Familien/Kinder, Invalidität/Behinderungen, Hinterbliebene und Arbeitslosigkeit jeweils zwischen 4,9 % und 8,2 % ausmachten. Auf Leistungen im Zusammenhang mit Wohnen und sozialer Ausgrenzung (soweit nicht anderweitig klassifiziert) entfielen die übrigen 2,0 % bzw. 1,8 %.
Rentenausgaben
Die Rentenausgaben lagen 2014 in der EU-28 bei 12,9 % des BIP. Besonders hoch war der Anteil der Rentenausgaben in den südlichen EU-Mitgliedstaaten Portugal (15,6 %) und Italien (16,5 %) und am höchsten in Griechenland mit 17,1 %. Besonders niedrige Werte, nämlich zwischen 7,0 % und 8,0 %, verzeichneten die drei baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland, und noch niedriger war der Anteil in Irland mit 6,4 % (siehe Abbildung 5).
Die Rentenausgaben pro Empfänger (von mindestens einer Altersrente) schwanken je nach Art der Rente (siehe Abbildung 6). 2014 wurden die aggregierten Ausgaben pro Leistungsempfänger für Altersrenten in der EU-28 mit 13 700 EUR angesetzt. Für vorgezogene Altersrenten wurden mit 14 000 EUR pro Empfänger noch höhere durchschnittliche Ausgaben gemeldet. Das mag auf den ersten Blick verwundern, weil vorgezogene Renten normalerweise zum Ausgleich für die Verlängerung der Rentenbezugsdauer gekürzt werden. Bei vorgezogenen Altersrenten handelt es sich jedoch häufig um beitragsorientierte Renten, die meist ein höheres Leistungsniveau bieten als nicht beitragsorientierte Renten. Hinzu kommt, dass Personen, die während ihres Arbeitslebens in der Summe mehr eingezahlt und folglich Anspruch auf eine höhere Rente haben, eher dazu neigen, schon vor Erreichen des Rentenalters einen Rentenantrag zu stellen, weil sie bereits die Mindestvoraussetzungen für die Rente erfüllen (falls erforderlich) und möglicherweise bereit sind, entsprechend gekürzte Leistungen zu akzeptieren. Die Leistungen für Frührenten aufgrund einer Erwerbsminderung beliefen sich dagegen auf durchschnittlich 11 000 EUR pro Empfänger und lagen somit etwas unter dem Durchschnittsbetrag für Altersrenten. Die Ausgaben für Teilrenten betrugen durchschnittlich nur 3100 EUR pro Empfänger und waren somit niedriger als für jede andere Rentenart. Das ist auch zu erwarten, da die Bezieher solcher Renten noch ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit haben.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Zahlen zu den Rentenausgaben pro Empfänger noch nichts darüber aussagen, wie hoch die individuellen Altersrenten sind und ob sie angemessen sind. Die Zahlen basieren einerseits auf aggregierten Ausgaben und andererseits auf der Zahl der Empfänger ganz unterschiedlicher Rentenarten, die in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten bezogen werden können, die unter verschiedenen Voraussetzungen gewährt werden und unterschiedlichen Zwecken dienen. Unterschiedliche Rentensysteme bieten stets auch unterschiedliche Leistungsniveaus. Die für einen Mitgliedstaat typischen Rentenkombinationen haben maßgeblichen Einfluss auf die auf aggregierter Ebene erfassten Zahlen. Darüber hinaus liegen den Zahlen die Bruttoausgaben zugrunde. Nicht berücksichtigt sind die sowohl zwischen den EU-Mitgliedstaaten als auch innerhalb der einzelnen Länder unterschiedlichen Auswirkungen von Steuern und Sozialbeiträgen (sofern zutreffend). So können beispielsweise in einem Mitgliedstaat alle Altersrenten steuerfrei sein, während in einem anderen Mitgliedstaat bestimmte Rentenarten versteuert werden müssen.
Die Rentenausgaben pro Empfänger (von mindestens einer Rente) fallen bei Altersrenten (der häufigsten Rentenart) in den EU-Mitgliedstaaten ganz unterschiedlich aus. 2014 reichten sie von 1700 EUR pro Jahr in Bulgarien bis 24 900 EUR in Luxemburg (siehe Abbildung 7). Bei einem Vergleich der Daten in Kaufkraftstandards (KKS) schwächen sich diese großen Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedstaaten etwas ab, aber auch dann waren die durchschnittlichen Rentenausgaben pro Empfänger in Luxemburg noch 4,6-mal so hoch wie in Bulgarien.
Die mittleren Renten (Medianwerte) der 65- bis 74-Jährigen lagen 2015 in der EU-28 unter den Durchschnittsverdiensten der 50- bis 59-Jährigen (siehe Abbildung 8). Besonders ausgeprägt war der Unterschied zwischen diesen beiden Mittelwerten in Irland. Mit 38 % des Durchschnittsverdienstes der 50- bis 59-Jährigen verzeichnete Irland von allen EU-Mitgliedstaaten den niedrigsten Anteil. Dagegen war dieser Verhältniswert, das sogenannte Aggregatsersatzverhältnis, in Luxemburg besonders hoch (80 %) und auch in Frankreich noch relativ hoch (69 %). Ein niedriges Aggregatsersatzverhältnis kann durch einen geringen Erfassungsgrad und/oder niedrige Lohnersatzquoten aus den gesetzlichen Rentensystemen sowie durch fehlende Berufsjahre oder zu niedrig angegebene Verdienste zustande kommen.
Ausgaben für Altenpflege
Die Ausgaben für Altenpflege umfassen Pflegegelder, Unterbringung und Hilfestellung im Alltag. In der EU-28 machten diese Ausgaben 2014 0,5 % des BIP aus. In Schweden und Dänemark betrug das Verhältnis zwischen diesen Ausgaben und dem BIP 2,2 % bzw. 2,0 % und war damit vier- bis fünfmal so hoch wie der Durchschnitt der EU-28. In Bulgarien, Deutschland, Griechenland, Kroatien, Zypern, Luxemburg und Rumänien wurden weniger als 0,1 % des BIP für die Altenpflege aufgebracht (siehe Abbildung 9).
Sozialschutzeinnahmen
Wie eine Analyse der Sozialschutzeinnahmen 2014 in der EU-28 zeigt, handelte es sich dabei hauptsächlich um staatliche Zuwendungen (40,5 %) und um Sozialbeiträge der Arbeitgeber (34,7 %). Etwa ein Fünftel (19,3 %) der Sozialschutzeinnahmen in der EU-28 wurde von den Versicherten aufgebracht (siehe Abbildung 10).
Im Zeitraum 2008 bis 2014 haben sich die Sozialschutzeinnahmen in der EU-28 von 7 300 EUR auf 8 300 EUR pro Einwohner erhöht; insgesamt sind die Einnahmen um 15,6 % gestiegen. Die größte Veränderung der Einnahmenstruktur in diesem Zeitraum bewirkte der Anteil staatlicher Zuschüsse, der von 38,3 % (2008) auf 40,5 % (2014) gestiegen ist. In der gleichen Zeit ging der Anteil der Arbeitgeberbeiträge von 36,5 % auf 34,7 % zurück.
Je nach Mitgliedstaat setzen sich die Sozialschutzeinnahmen unterschiedlich zusammen. Dabei lassen sich die Mitgliedstaaten drei Gruppen zuordnen (siehe Abbildung 11). Die erste Gruppe umfasst die Mitgliedstaaten, in denen 2014 staatliche Zuweisungen den größten Anteil der Einnahmen ausmachten: Dänemark, Irland, Malta, Schweden, Zypern, Rumänien, das Vereinigte Königreich und Portugal. In den ersten fünf dieser Mitgliedstaaten machten staatliche Zuweisungen mehr als die Hälfte der Einnahmen aus, in Irland waren es mehr als drei Fünftel (60,5 %) und in Dänemark knapp vier Fünftel (79,8 %).
In den übrigen Mitgliedstaaten deckten Sozialbeiträge der Arbeitgeber und der Versicherten den größten Teil der Einnahmen. In einigen dieser Staaten machten tatsächliche oder unterstellte Arbeitgeberbeiträge mehr als zwei Drittel der Beiträge aus; dazu zählten die Tschechische Republik, Belgien, Polen, die Slowakei, Frankreich, Italien, Lettland, Finnland, Litauen, Spanien und Estland (mit dem höchsten Arbeitgeberanteil von 98,7 %). Zu der letzten Gruppe von Mitgliedstaaten, in der die Sozialbeiträge der Arbeitgeber weniger als zwei Drittel aller Sozialbeiträge ausmachten, gehörten Bulgarien, Ungarn, Griechenland, Österreich, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande, Kroatien und Slowenien (in den drei letztgenannten Ländern betrug der Arbeitgeberanteil weniger als die Hälfte aller Sozialbeiträge).
Sonstige Einnahmen spielten in den meisten Mitgliedstaaten eine eher unbedeutende Rolle. Nur in Luxemburg, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und Polen trugen sie mehr als 10 % zu den Gesamteinnahmen bei.
Unter den in Abbildung 11 gezeigten Drittstaaten stellten staatliche Zuweisungen in Norwegen und Island den größten Teil der Einnahmen dar. In der Schweiz, Serbien und der Türkei machten Sozialbeiträge mehr als die Hälfte der Einnahmen aus, während die Arbeitgeberbeiträge weniger als zwei Drittel der Sozialbeiträge deckten.
Datenquellen und Datenverfügbarkeit
Die Daten zu Sozialschutzausgaben und -einnahmen werden nach der Methodik des Europäischen Systems integrierter Sozialschutzstatistiken (ESSOSS) erstellt. Das ESSOSS wurde entwickelt, um die Finanzströme im Bereich des Sozialschutzes zwischen den Mitgliedstaaten vergleichen zu können.
Im April 2007 wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 458/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates die Rechtsgrundlage für die Bereitstellung der ESSOSS-Daten ab dem Bezugsjahr 2006 geschaffen. Diese Verordnung wurde später durch vier Durchführungsverordnungen der Europäischen Kommission ergänzt: Verordnung (EG) Nr. 1322/2007, Verordnung (EG) Nr. 10/2008, Verordnung (EU) Nr. 110/2011 und Verordnung (EU) Nr. 263/2011.
2016 veröffentlichte Eurostat eine aktualisierte Fassung des Handbuchs mit Nutzerleitlinien (auf Englisch) für die richtige Zusammenstellung und Anwendung von ESSOSS-Daten.
Sozialschutzausgaben
Zu den Sozialschutzausgaben gehören Sozialleistungen, Verwaltungskosten (Kosten, die dem System für seine Verwaltung in Rechnung gestellt werden) und sonstige Ausgaben (diverse Ausgaben der Sozialschutzsysteme, vor allem die Zahlung von Vermögenseinkommen).
Sozialschutzleistungen sind direkte Transfers der Sozialschutzsysteme in Form von Geld- oder Sachleistungen an private Haushalte und Einzelpersonen zur Verringerung der finanziellen Belastung, die ihnen durch bestimmte Risiken oder Bedürfnisse entstehen. Die privaten Haushalte beziehen Sozialleistungen von der Sozialversicherung, von anderen staatlichen Stellen und privaten Organisationen ohne Erwerbszweck (POOE), von Arbeitgebern, die Sozialschutzsysteme ohne spezielle Deckungsmittel verwalten, sowie von Versicherungsunternehmen oder anderen institutionellen Einheiten, die private Sozialschutzsysteme mit speziellen Deckungsmitteln verwalten. Sozialleistungen werden vor Abzug der von den Empfängern auf sie zu entrichtenden Steuern oder sonstigen Pflichtabgaben erfasst.
Die Sozialschutzleistungen werden nach acht Funktionen des Sozialschutzes untergliedert, die für bestimmte Risiken oder Bedürfnisse stehen:
- Kranken-/Gesundheitsleistungen, z. B. Lohn- und Gehaltsfortzahlungen im Krankheitsfall, medizinische Versorgung und Versorgung mit Arzneimitteln;
- Leistungen bei Invalidität/Behinderungen, z. B. Invalidenrenten und Versorgung von Behinderten mit Waren und Dienstleistungen (außer medizinischer Versorgung);
- Altersleistungen, z. B. Altersrenten und Versorgung älterer Menschen mit Waren und Dienstleistungen (außer medizinischer Versorgung);
- Hinterbliebenenleistungen, z. B. finanzielle Unterstützung und Hilfe im Zusammenhang mit einem Todesfall in der Familie, etwa Hinterbliebenenrente;
- Leistungen für Familie/Kinder, z. B. Unterstützung (außer medizinischer Versorgung) zur Kostenentlastung bei Schwangerschaft, Geburt, Mutterschaft und Betreuung anderer Familienmitglieder;
- Leistungen bei Arbeitslosigkeit, z. B. vollständige oder teilweise Zahlung des Arbeitslosengelds und durch öffentliche Stellen finanzierte Maßnahmen der beruflichen Aus- und Weiterbildung;
- Leistungen für Wohnen, z. B. behördliche Unterstützung privater Haushalte bei den Wohnkosten;
- Leistungen im Zusammenhang mit sozialer Ausgrenzung, soweit nicht anderweitig klassifiziert, z. B. Einkommensbeihilfen, Wiedereingliederung von Alkohol- und Drogenabhängigen und sonstige Leistungen (außer medizinischer Versorgung).
Das Aggregat „Renten“ umfasst einen Teil der regelmäßigen Geldleistungen, die bei Invalidität/Behinderung, für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung und im Fall von Arbeitslosigkeit vorgesehen sind. Es ist definiert als die Summe folgender Sozialleistungen: Invaliditätsrenten, Frührenten wegen Erwerbsminderung, Altersrenten, vorgezogene Altersrenten, Teilrenten, Hinterbliebenenrenten und Altersübergangsgeld aufgrund der Arbeitsmarktlage (siehe Social protection statistics – pension expenditure and pension beneficiaries (auf Englisch)).
Die erste offizielle Datenerfassung zu den Nettoausgaben für Sozialschutzmaßnahmen erfolgte 2012 für das Bezugsjahr 2010. Hierbei wird mit einem „eingeschränkten Ansatz“ gearbeitet, der sich ausschließlich auf die Messung der Auswirkungen des Steuersystems auf die im ESSOSS-Kernsystem gemeldeten Brutto-Geldleistungen beschränkt (Sachleistungen werden nicht erfasst). Aus diesem Grund werden zu sozialen Zwecken gewährte Steuererleichterungen, mit denen die für andere Einkommen (keine Sozialleistungen) anfallenden Steuern gesenkt werden oder die Personen gewährt werden, die keine (Geld-)Leistungen erhalten, nicht vollständig berücksichtigt. Solche Steuererleichterungen gelten nur für den Steuerbetrag, der normalerweise auf Geldleistungen zu entrichten ist. Ebenfalls nicht berücksichtigt werden zu sozialen Zwecken gewährte Steuererleichterungen, mit denen indirekte Steuern gesenkt werden. Der volle Wert solcher Steuererleichterungen könnte nur im „erweiterten“ Ansatz berücksichtigt werden („erweitert“ wegen der größeren Gesamtpopulation von Empfängern). Weitere Informationen hierzu finden sich in dem Artikel „Social protection statistics – net expenditure on benefits“ (auf Englisch).
Aggregatsersatzverhältnis
Das Aggregatsersatzverhältnis ist das Verhältnis zwischen Bruttorentenleistungen und Bruttoverdiensten. Definitionsgemäß wird der Medianwert der individuellen Bruttorenteneinkommen der 65- bis 74-Jährigen in Beziehung gesetzt zum Medianwert der individuellen Bruttoeinkommen der 50- bis 59-Jährigen; das Aggregatsersatzverhältnis wird in Prozent angegeben. Diese Daten sind nicht Teil des Europäischen Systems integrierter Sozialschutzstatistiken. Sie werden im Rahmen der EU-Statistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) erfasst.
Sozialschutzeinnahmen
Die Sozialschutzsysteme werden auf unterschiedliche Weise finanziert. Ihre Einnahmen umfassen Sozialversicherungsbeiträge von Arbeitgebern und Versicherten, Beiträge des Staates und sonstige Einnahmen. Letztere stammen aus verschiedenen Quellen (z. B. Zinsen, Dividenden, Mieten und Forderungen gegenüber Dritten). Sozialbeiträge der Arbeitgeber sind alle von den Arbeitgebern erbrachten Aufwendungen, mit denen die Ansprüche ihrer Arbeitnehmer, ehemaligen Arbeitnehmer und deren Unterhaltsberechtigten auf Sozialleistungen gedeckt werden. Sie können sowohl von gebietsansässigen als auch von gebietsfremden Arbeitgebern stammen. Dazu zählen alle Zahlungen von Arbeitgebern an Sozialschutzsysteme (tatsächliche Beiträge) sowie direkt von Arbeitgebern an Arbeitnehmer gezahlte Sozialleistungen (unterstellte Beiträge). Die Sozialbeiträge der Versicherten umfassen die von Arbeitnehmern, Selbständigen, Rentnern und sonstigen Personen entrichteten Beiträge.
Umsetzung des ESVG 2010
Das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene (ESVG 2010) ist an die Stelle die vorher geltenden ESVG 1995 getreten. Diese Umstellung hatte auch Auswirkungen auf ESSOSS-Ergebnisse, die indirekt von der Umsetzung des ESVG 2010 betroffen waren. Die Überarbeitung der ESSOSS-Daten unter Berücksichtigung der neuen VGR-Methodik fand für die meisten EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der Datenerfassung für den Bezugszeitraum 2013 statt.
Kontext
In der EU bestehen durchweg gut ausgebaute Sozialschutzsysteme. Sie sollen die Menschen (zumindest teilweise) absichern gegen Risiken und Bedürfnisse, die mit Arbeitslosigkeit, elterlichen Pflichten, Krankheit/Gesundheitswesen und Invalidität/Behinderungen, Tod eines Ehegatten oder Elternteils, Alter, Wohnen und sozialer Ausgrenzung (soweit nicht anderweitig klassifiziert) einhergehen.
Rentensysteme können es den Leistungsempfängern ermöglichen, den Lebensstandard aufrechtzuerhalten, den sie gegen Ende ihres Berufslebens erreicht haben. Die größte Herausforderung, vor der die Sozialschutzsysteme in den kommenden Jahren stehen werden, ist die Frage ihrer Finanzierung angesichts der zunehmenden Bevölkerungsalterung in Europa, zumal der Anteil älterer Menschen steigt und die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter abnimmt.
Für die Ausgestaltung und die Finanzierung der Sozialschutzsysteme ist jeder Mitgliedstaat selbst zuständig. Daher unterscheiden sich die Modelle der einzelnen Mitgliedstaaten. Die EU sorgt aber durch ihre Koordinierung dafür, dass Menschen, die in einen anderen Mitgliedstaat ziehen, weiterhin angemessenen Sozialschutz erhalten. Die EU fördert auch Maßnahmen der Mitgliedstaaten, mit denen Armut und soziale Ausgrenzung bekämpft und Sozialschutzsysteme durch einen Austausch über politische Konzepte und Erfahrungen reformiert werden sollen. Dieser Prozess in den Bereichen Sozialschutz und soziale Eingliederung unterstützt die Strategie Europa 2020 bei der Entwicklung der EU zu einer intelligenten, nachhaltigen und integrativen Volkswirtschaft. Mit der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum wurde u. a. das Ziel festgelegt, mindestens 20 Millionen Menschen vor dem Armutsrisiko und dem Risiko sozialer Ausgrenzung (auf Englisch) zu bewahren und die Beschäftigungsquote der 20- bis 64-Jährigen auf 75 % zu erhöhen. Die Europäische Kommission unterstützt diese Ziele durch Leitinitiativen wie die Europäische Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung und die Europäische Agenda für neue Kompetenzen. Außerdem unterstützt die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten bei der Modernisierung ihrer Sozialsysteme durch das Sozialinvestitionspaket.
Den wichtigsten politischen Rahmen in diesem Bereich bildet die offene Koordinierungsmethode für Sozialschutz und soziale Eingliederung, die sozialen Zusammenhalt und Chancengleichheit durch angemessene, zugängliche und finanziell tragfähige Sozialschutzsysteme und Maßnahmen zur sozialen Eingliederung fördern soll. In einer Mitteilung der Europäischen Kommission mit dem Titel „Zusammenarbeiten, zusammen mehr erreichen – Ein neuer Rahmen für die offene Koordinierung der Sozialschutzpolitik und der Eingliederungspolitik in der Europäischen Union“ (KOM(2005) 706 endg.) werden die Ziele dargelegt, unter anderem:
- die Beseitigung von Armut und sozialer Ausgrenzung entscheidend voranbringen;
- eine angemessene und tragfähige Altersversorgung sicherstellen;
- eine für alle zugängliche, qualitativ hochwertige und nachhaltige Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege sicherstellen.
Die Europäische Säule sozialer Rechte beinhaltet eine Reihe von Grundsätzen und Rechten zur Unterstützung fairer und gut funktionierender Arbeitsmärkte und Sozialsysteme. Sie ist Teil der politischen Entwicklungen im Rahmen einer vertieften und faireren Wirtschafts- und Währungsunion (eine der zehn Prioritäten der Europäischen Kommission für den Zeitraum 2015-2019). Die Säule umfasst drei Gruppen von Maßnahmen. Unter der Überschrift Sozialschutz und soziale Inklusion sind folgende Bereiche zusammengefasst:
Betreuung und Unterstützung von Kindern — Kinder haben das Recht auf hochwertige, bezahlbare frühkindliche Bildung und Betreuung. Kinder haben das Recht auf Schutz vor Armut. Kinder aus benachteiligten Verhältnissen haben das Recht auf besondere Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit.
Sozialschutz — Unabhängig von Art und Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und unter vergleichbaren Bedingungen Selbständige das Recht auf angemessenen Sozialschutz.
Leistungen bei Arbeitslosigkeit — Arbeitslose haben das Recht auf angemessene Unterstützung öffentlicher Arbeitsverwaltungen bei der (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und auf angemessene Leistungen von angemessener Dauer entsprechend ihren Beiträgen und den nationalen Bestimmungen zur Anspruchsberechtigung. Diese Leistungen sollen die Empfänger nicht davon abhalten, schnell wieder in Beschäftigung zurückzukehren.
Mindesteinkommen — Jede Person, die nicht über ausreichende Mittel verfügt, hat in jedem Lebensabschnitt das Recht auf angemessene Mindesteinkommensleistungen, die ein würdevolles Leben ermöglichen, und einen wirksamen Zugang zu dafür erforderlichen Gütern und Dienstleistungen. Für diejenigen, die in der Lage sind zu arbeiten, sollten Mindesteinkommensleistungen mit Anreizen zur (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt kombiniert werden.
Alterseinkünfte und Ruhegehälter — Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Selbständige im Ruhestand haben das Recht auf ein Ruhegehalt, das ihren Beiträgen entspricht und ein angemessenes Einkommen sicherstellt. Frauen und Männer sind gleichberechtigt beim Erwerb von Ruhegehaltsansprüchen. Jeder Mensch im Alter hat das Recht auf Mittel, die ein würdevolles Leben sicherstellen.
Gesundheitsversorgung — Jede Person hat das Recht auf rechtzeitige, hochwertige und bezahlbare Gesundheitsvorsorge und Heilbehandlung.
Inklusion von Menschen mit Behinderungen — Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf Einkommensbeihilfen, die ein würdevolles Leben sicherstellen, Dienstleistungen, die ihnen Teilhabe am Arbeitsmarkt und am gesellschaftlichen Leben ermöglichen, und ein an ihre Bedürfnisse angepasstes Arbeitsumfeld.
Langzeitpflege — Jede Person hat das Recht auf bezahlbare und hochwertige Langzeitpflegedienste, insbesondere häusliche Pflege und wohnortnahe Dienstleistungen.
Wohnraum und Hilfe für Wohnungslose — Hilfsbedürftigen wird Zugang zu hochwertigen Sozialwohnungen oder hochwertiger Unterstützung bei der Wohnraumbeschaffung gewährt. Sozial schwache Personen haben das Recht auf angemessene Hilfe und Schutz gegen Zwangsräumungen. Wohnungslosen werden angemessene Unterkünfte und Dienste bereitgestellt, um ihre soziale Inklusion zu fördern.
Zugang zu essenziellen Dienstleistungen — Jede Person hat das Recht auf den Zugang zu essenziellen Dienstleistungen wie Wasser-, Sanitär- und Energieversorgung, Verkehr, Finanzdienste und digitale Kommunikation. Hilfsbedürftigen wird Unterstützung für den Zugang zu diesen Dienstleistungen gewährt.
Mit einem von Eurostat bereitgestellten Scoreboard mit Schlüsselindikatoren wird die Leistung der teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten im Bereich Beschäftigung und Soziales beobachtet. Das Scoreboard dient als Referenzrahmen, um die Fortschritte zu erfassen und die Herausforderungen in Bezug auf Beschäftigung und Soziales aufzuzeigen.
Siehe auch
- Social protection statistics — background (auf Englisch)
- Social protection statistics — financing (auf Englisch)
- Social protection statistics — main indicators (auf Englisch)
- Social protection statistics — net expenditure on benefits (auf Englisch)
- Social protection statistics — pension expenditure and pension beneficiaries (auf Englisch)
- Social protection statistics — social benefits (auf Englisch)
Weitere Informationen von Eurostat
Veröffentlichungen
- In 2009, a 6.5 % rise in per capita social protection expenditure matched a 6.1 % drop in EU GDP — Statistics in focus 14/2012 (auf Englisch)
- 28,7% des BIP der EU für Sozialschutz ausgegeben — Pressemiteilung 21. Dezember 2016
Haupttabellen
- Sozialschutz (t_spr)
Datenbank
- Sozialschutz (spr), siehe:
- Ausgaben des Sozialschutzes (spr_expend)
- Einnahmen des Sozialschutzes (spr_receipts)
- Rentenempfänger (spr_pension)
- Nettosozialschutzleistungen (spr_net_ben)
Spezieller Bereich
Methodik / Metadaten
- ESSPROS Manual and user guidelines — 2016 edition (auf Englisch)
- Social protection methodology (auf Englisch)
- Social protection (ESMS metadata file — spr_esms) (auf Englisch)
Quelldaten für die Tabellen und Abbildungen (MS Excel)
Weitere Informationen
- Verordnung (EG) Nr. 458/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. April 2007 über das Europäische System integrierter Sozialschutzstatistiken (ESSOSS)
- Verordnung (EG) Nr. 1322/2007 der Kommission vom 12. November 2007 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 458/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates (ESSOSS) im Hinblick auf die geeigneten Formate für die Datenübermittlung, die zu übermittelnden Ergebnisse und die Kriterien für die Qualitätsbeurteilung für das ESSOSS-Kernsystem und das Modul Rentenempfänger
- Verordnung (EG) Nr. 10/2008 der Kommission vom 8. Januar 2008 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 458/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Europäische System integrierter Sozialschutzstatistiken (ESSOSS) im Hinblick auf die Definitionen, die detaillierten Klassifikationen und das Modul Rentenempfänger
- Verordnung (EU) Nr. 110/2011 der Kommission vom 8. Februar 2011 im Hinblick auf die geeigneten Formate für die Datenübermittlung, die zu übermittelnden Ergebnisse und die Kriterien für die Qualitätsbeurteilung für das ESSOSS-Modul Nettosozialschutzleistungen
- Verordnung (EU) Nr. 263/2011 der Kommission vom 17. März 2011 in Bezug auf den Beginn einer umfassenden Datenerhebung für das ESSOSS-Modul Nettosozialschutzleistungen
Fußnoten
- ↑ Die Sozialschutzausgaben pro Einwohner errechnen sich auf der Grundlage der Wohnbevölkerung; daher ist der Wert für Luxemburg (wegen des hohen Anteils grenzüberschreitender Pendler) deutlich zu hoch angesetzt, denn ein erheblicher Anteil der Leistungen wird an außerhalb des Landes lebende Personen gezahlt (vor allem für Gesundheitsversorgung, Renten und Familienleistungen).