Statistiken über Chemikalienmanagement
- Daten von September 2014. Neueste Daten: Weitere Informationen von Eurostat, Haupttabellen und Datenbank. Aktualisierung des Artikels geplant: Januar 2016.
Mitte der 1990er Jahre begannen in der Europäischen Union (EU) die Arbeiten an der Erstellung von Statistiken zu gefährlichen Stoffen mit der Entwicklung von einer Reihe von Indikatoren für Umweltbelastungen durch Chemikalien. In jüngerer Zeit folgten Indikatoren, die die Wirksamkeit der Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) überwachen sollen. In diesem Artikel werden zwei von Eurostat erarbeitete und zusammengestellte Indikatoren vorgestellt, die sich auf die Produktion einiger wichtiger Industriechemikalien beziehen.
Wichtigste statistische Ergebnisse
Gesamtproduktion von Chemikalien
Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der chemischen Produktion der EU-28 seit 2004 unter Verwendung eines auf der Produktionsmenge (Quantität) basierenden Indexes. Die Produktionsmenge von Chemikalien in der EU-28 erhöhte sich von 2005 bis 2007 jedes Jahr und stieg insgesamt um 4,4 % auf einen Höchststand von 371 Mio. Tonnen. Während der Finanz und Wirtschaftskrise ging die Produktion 2008 um 31 Mio. Tonnen (bzw. 8,4 %) und 2009 um weitere 43 Mio. Tonnen (bzw. 12,8 %) zurück. 2010 glich der Aufschwung der Wirtschaftstätigkeit die 2009 verzeichneten Verluste mehr als aus. Im Jahr 2011 ging die Produktion von Chemikalien in der EU-28 wieder zurück; danach blieb sie dann bis 2013 stabil bei 320 bis 330 Mio. Tonnen, womit sie immer noch 40 bis 50 Mio. Tonnen unter dem Höchststand von 2007 vor der Krise lag. Die neuesten verfügbaren Daten für 2013 zeigen einen leichten Rückgang der Chemikalienproduktion gegenüber dem Vorjahr; die Produktionsmenge von 322 Mio. Tonnen war der zweitniedrigste Wert in dem in Abbildung 1 dargestellten Zeitraum – nur der Wert von 2009 lag noch darunter. Die Produktion von Chemikalien erfolgte vor allem in Westeuropa: Deutschland war der größte Produzent in der EU-28, gefolgt von Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich.
Produktion umweltschädlicher Chemikalien
In Abbildung 2 ist die Entwicklung der Produktionsmengen an für die aquatische Umwelt schädlichen Chemikalien nach fünf Klassen der Umweltauswirkung analysiert. Insgesamt stieg die Produktion dieser Chemikalien in der EU-28 im Zeitraum von 2004 bis 2007 um 1,8 % auf einen Höchstwert von 155 Mio. Tonnen an. In den beiden darauffolgenden Jahren sank die Produktion von für die aquatische Umwelt schädlichen Chemikalien um 24 Mio. Tonnen (bzw. 15,7 %) und erreichte 2009 einen Tiefstand von 131 Mio. Tonnen. Wie bei der Gesamtproduktion von Chemikalien war bei der Produktion von für die aquatische Umwelt schädlichen Chemikalien 2010 ein starker Anstieg zu verzeichnen, doch in den drei Jahren danach, also von 2011 bis 2013, gingen diese Mengen jedes Jahr zurück. Bis 2013 wurden in der EU-28 134 Mio. Tonnen von für die aquatische Umwelt schädlichen Chemikalien produziert und damit – bis auf 2009 – weniger als in jedem Jahr im Zeitraum 2004–2012.
Der Anteil der für die aquatische Umwelt schädlichen Chemikalien an der Gesamtproduktion von Chemikalien in der EU-28 blieb im Zeitraum 2004–2013 mit 41,5 % bis 44,2 % relativ unverändert. Nach einem Spitzenwert von 44,2 % im Jahr 2009 (als die Gesamtproduktion an Chemikalien auf ihrem niedrigsten Stand war) fiel der Anteil in den drei darauffolgenden Jahren. Am Ende der Zeitreihe, 2013, betrug der Anteil von für die aquatische Umwelt schädlichen Chemikalien an der gesamten Chemikalienproduktion 41,6 %.
Es gab erhebliche Unterschiede bei der Entwicklung der Produktion der fünf einzelnen Klassen von für die aquatische Umwelt schädlichen Chemikalien. Der größte Anstieg der Produktion in der EU-28 insgesamt von 2004 bis 2013 war bei Chemikalien mit moderater chronischer Wirkung zu verzeichnen (die Produktion stieg während des Betrachtungszeitraums um 2,17 %), während die Produktion von Chemikalien mit chronischen Auswirkungen auf die Umwelt und von Chemikalien mit schwerwiegenden chronischen Auswirkungen deutlich zurückging (um 20,4 % bzw. um 14,3 %).
Produktion toxischer Chemikalien
In Abbildung 3 ist die Entwicklung der Produktionsmengen an toxischen chemischen Stoffen in der EU-28 nach fünf Toxizitätsklassen analysiert. Die Produktion toxischer Chemikalien entwickelte sich weitgehend ähnlich wie bei allen Chemikalien; nach dem Anstieg im Zeitraum 2004–2007 war ein erheblicher Rückgang der Produktion zu verzeichnen (der mit der Finanz und Wirtschaftskrise zusammenfiel), auf den 2010 ein starker Aufschwung folgte. 2011 ging die Gesamtproduktion von toxischen Chemikalien wieder zurück, 2012 blieb sie stabil und 2013 nahm sie wieder ab.
Die Produktion toxischer Chemikalien (aller fünf Toxizitätsklassen) in der EU-28 stieg von 2004 bis 2007 um 0,6 % auf einen Spitzenwert von 235 Mio. Tonnen. Im Jahr 2008 ging die Produktion um 20 Mio. Tonnen (bzw. 8,4 %) und 2009 um die gleiche Menge (bzw. 9,3 %) auf 196 Mio. Tonnen zurück. 2010 glich der Aufschwung der Wirtschaftstätigkeit (um 11,7 %) die 2009 verzeichneten Verluste aus, doch 2011 und 2013 kam es erneut zu Rückgängen (um 5,0 % bzw. um 3,0 %). Infolge dieser Entwicklungen lag das Produktionsniveau bei toxischen Chemikalien in der EU-28 im Jahr 2013 bei 202 Mio. Tonnen und damit rund 32 Mio. Tonnen unter dem Wert von 2004.
Der Gesamtanteil aller toxischen Chemikalien (alle fünf Klassen) an der Chemikalienproduktion der EU-28 insgesamt ging in den in Abbildung 3 dargestellten zehn Jahren generell allmählich zurück. Er sank von einem Höchstwert von 66,0 % der Gesamtproduktion von Chemikalien im Jahr 2004 auf 63,5 % im Jahr 2008. Im Jahr 2009 erreichte der Anteil aller toxischen Chemikalien einen Spitzenwert (was wohl auf den rasanten Rückgang der Gesamtproduktion an Chemikalien während der Finanz und Wirtschaftskrise und nicht auf einen Produktionszuwachs bei toxischen Chemikalien insgesamt zurückzuführen war), doch danach fiel er wieder, und zwar bis 2013 auf 62,7 %. Mit dem Rückgang der Produktionsmengen an toxischen Chemikalien insgesamt im Zeitraum 2004–2013 und der gleichzeitigen Abnahme des Anteils aller toxischen Chemikalien an der Gesamtproduktion an Chemikalien gibt es einige Anhaltspunkte für eine Entkopplung der Produktion von Chemikalien, die die Gesundheit des Menschen schädigen und/oder die Ökosysteme schädigen, von der gesamten Chemikalienproduktion.
Von 2004 bis 2007 wurden in der EU-28 zwischen 34 und 36 Mio. Tonnen an krebserzeugenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Chemikalien (CMR-Chemikalien) produziert, die die höchste Toxizitätsklasse bilden. Von 2007 bis 2008 ging die Produktion um 5,3 Mio. Tonnen (bzw. 14,8 %) auf 30,6 Mio. Tonnen zurück. 2009 und 2010 stieg die Produktion der CMR-Chemikalien wieder auf 34,7 Mio. Tonnen und damit in etwa auf das Niveau, das vor der Finanz und Wirtschaftskrise verzeichnet wurde. Ab 2010 fiel die Produktionsmenge an CMR-Chemikalien erneut relativ stetig, und zwar bis 2013 auf 30,7 Mio. Tonnen.
Der relative Anteil der CMR-Chemikalien an der gesamten Chemikalienproduktion der EU-28 fiel von 9,9 % im Jahr 2004 auf 9,0 % im Jahr 2008. Nach einem Sprung auf 10,9 % im Jahr 2009 sank der relative Anteil bis 2013 auf 9,5 %.
Datenquellen und Datenverfügbarkeit
Die in diesem Artikel vorgestellten Indikatoren werden von den jährlichen Statistiken über die Produktion von Gütern (Prodcom) abgeleitet. Die statistischen Daten decken im Prinzip die Jahre seit 1995 ab, während zu toxischen und umweltschädlichen Stoffen seit 1996 Statistiken zur Verfügung stehen. Aggregate für die EU-28 liegen ab dem Bezugsjahr 2004 vor.
Die Informationen über die Produktion von für die aquatische Umwelt schädlichen Chemikalien und die Produktion toxischer Chemikalien wurden aus detaillierten Produktstatistiken zusammengestellt. Für jedes dieser Aggregate liegen nicht nur die Gesamtzahlen, sondern auch eine Unterteilung in fünf Klassen der Auswirkungen vor: Diesen Klassen der Auswirkungen auf die aquatische Umwelt und der Toxizität für die Gesundheit der Menschen liegen offizielle Klassifikationen zugrunde, die in EU-Rechtsvorschriften festgelegt sind und auf Beurteilungen wissenschaftlicher Sachverständiger beruhen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Indikatoren keinen Aufschluss über die tatsächlichen, mit der Verwendung von Chemikalien verbundenen Risiken geben, sondern lediglich die Produktionsmengen abbilden. Produktion und Verbrauch sind nicht gleichzusetzen mit Exposition, da einige Chemikalien in geschlossenen Systemen bzw. als Zwischenprodukt in kontrollierten Lieferketten eingesetzt werden. Mit der Einführung von REACH wurde die Klassifizierung ausgehend von der Umweltklassifikation für Stoffe/dem Global Harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (CLP/GHS) aktualisiert.
Umweltschädliche Chemikalien werden nach ihren Auswirkungen auf die aquatische Umwelt in fünf Klassen unterteilt. Beginnend mit der am stärksten belastenden Gruppe sind dies:
- ernstzunehmende nachhaltige Umweltauswirkungen;
- signifikante chronische Wirkung auf die Umwelt;
- moderate chronische Wirkung auf die Umwelt;
- chronische Wirkung auf die Umwelt;
- signifikante akute Wirkung auf die Umwelt.
Zur Überwachung des Fortschritts bei der Verlagerung von umweltschädlicheren Chemikalien zu weniger umweltschädlichen Chemikalien kann eine Analyse der Produktion von für die aquatische Umwelt schädlichen Chemikalien herangezogen werden. Bei der Klassifizierung liegt der Schwerpunkt auf der aquatischen Toxizität, und sie soll die inhärente Ökotoxizität chemischer Stoffe, ihr Bioakkumulationspotenzial und ihre Persistenz in der Umwelt berücksichtigen. Zu diesem Zweck wurden stoffspezifische Daten zur Ökotoxizität, zur biologischen Abbaubarkeit und zum biologischen Akkumulationspotenzial genutzt. Die Identifizierung von für die aquatische Umwelt schädlichen Chemikalien stützt sich im Wesentlichen auf die offizielle Umweltklassifikation für Stoffe (CLP).
Der Indikator für toxische Chemikalien wird auch unter dem Thema „Gesundheit der Bevölkerung“ als Indikator für nachhaltige Entwicklung veröffentlicht. Er wird als operatives Ziel und Vorgabe für die Gesundheitsdeterminanten eingestuft. Toxische Chemikalien können in fünf Toxizitätsklassen unterteilt werden. Beginnend mit der gefährlichsten sind dies:
- krebserzeugende, erbgutverändernde und fortpflanzungsgefährdende Chemikalien (CMR-Chemikalien);
- chronisch toxische Chemikalien;
- sehr toxische Chemikalien;
- toxische Chemikalien;
- schädliche Chemikalien.
Eine Analyse der Produktion toxischer Chemikalien kann herangezogen werden, um alle Fortschritte beim Übergang von der Produktion von stärker toxischen zu weniger toxischen chemischen Stoffen zu überwachen und damit einen Beitrag zur Umsetzung eines wichtigen Ziels der REACH-Verordnung zu leisten: der Minimierung von Risiken durch den Ersatz von gefährlichen Stoffen durch weniger gefährliche Stoffe.
2009 gab Eurostat in Zusammenarbeit mit den für Industrie und Umwelt zuständigen Generaldirektionen der Europäischen Kommission eine Grundlagenstudie mit Indikatoren für die Überwachung der Wirksamkeit der REACH-Verordnung heraus. 2012 veröffentlichte Eurostat eine aktualisierte Fassung dieser Studie sowie eine Zusammenfassung.
Kontext
Statistische Indikatoren liefern Informationen über die Produktion von Chemikalien, die die Gesundheit des Menschen gefährden und/oder die Umwelt schädigen. Sie können dazu verwendet werden, den Fortschritt bei der Verwirklichung mehrerer Ziele zu messen. So werden für Initiativen wie die Strategie der Europäischen Union für nachhaltige Entwicklung (auf Englisch) und internationale Abkommen unter der Ägide der Vereinten Nationen statistische Indikatoren benötigt, um bewerten zu können, ob es beim Chemikalienmanagement Fortschritte gegeben hat.
Das Allgemeine Umweltaktionsprogramm der Union für die Zeit bis 2020 – auch bezeichnet als Siebtes Umweltaktionsprogramm (7. UAP) dient als Orientierung für die Umweltpolitik der EU bis 2020. Es enthält Vorschläge für weitere Maßnahmen zur Förderung der Umsetzung von REACH und setzt das Ziel der Ausarbeitung einer „Unionsstrategie für eine nichttoxische Umwelt“ bis 2018, die Anreize für die Innovation und die Entwicklung nachhaltiger Ersatzstoffe bietet, einschließlich nicht chemischer Lösungen, wobei man auf horizontalen Maßnahmen aufbauen sollte, die bis 2015 ergriffen werden sollen, um Folgendes sicherzustellen:
- Sicherheit hergestellter Nanomaterialien und Materialien mit ähnlichen Eigenschaften;
- Minimierung der Belastung durch endokrine Disruptoren;
- geeignete Regelungskonzepte zur Vermeidung von Kombinationseffekten von Chemikalien und
- Minimierung der Belastung durch Chemikalien in Produkten, unter anderem auch in eingeführten Produkten, damit schadstofffreie Werkstoffzyklen gefördert und die Schadstoffbelastung in Gebäuden reduziert wird.
Im Gefolge der Rio+20-Konferenz der Vereinten Nationen wurde eine Reihe von Zielen für eine nachhaltige Entwicklung (auf Englisch) vereinbart. In der Vereinbarung werden die Unterzeichner aufgefordert, Maßnahmen in zwei speziellen Bereichen zu ergreifen, die mit der Produktion von Chemikalien in Zusammenhang stehen, nämlich „bis 2020 einen umweltverträglichen Umgang mit Chemikalien während ihres gesamten Lebenszyklus sowie mit gefährlichen Abfällen zu erreichen“ (Ziel 3.9: Gewährleistung eines gesunden Lebens und Förderung des Wohlbefindens in jedem Alter) und „bis 2030 die Zahl der Todesfälle und Erkrankungen infolge gefährlicher Chemikalien wesentlich zu verringern“ (Ziel 12.1: Gewährleistung nachhaltiger Verbrauchs und Produktionsmuster).
Siehe auch
- Chemicals - monitoring REACH with indicators (auf Englisch)
- CLP ist die Abkürzung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen; GHS ist die Abkürzung für Globales Harmonisiertes System
- Umwelt - Einführung
Weitere Informationen von Eurostat
Veröffentlichungen
- Environmental statistics and accounts in Europe – Statistisches Buch 2010 (auf Englisch)
- The REACH baseline study — 5 years up-date — Comprehensive study report — 2012 (auf Englisch)
- The REACH baseline study — 5 years up-date — Summary report — 2012 (auf Englisch)
- The REACH baseline study — A methodology to set the baseline for REACH and monitor its implementation, Juni 2009) (auf Englisch)
- The REACH baseline study — A tool to monitor the new EU policy on chemicals – Statistik kurz gefasst 48/2009 (auf Englisch)
Haupttabellen
- Index der Produktion von toxischen Chemikalien, nach Giftigkeitsklasse (tsdph320)
- Umwelt – Schadstoffe (auf Englisch), siehe Haupttabellen:
- Produktion umweltgefährdender Chemikalien, nach Klasse der Umweltauswirkung (ten00011)
- Produktion von toxischen Chemikalien, nach Giftigkeitsklasse (tsdph320)
Quelldaten für die Tabellen und Abbildungen (MS Excel)
Weblinks
- Europäische Chemikalienagentur — ECHA
- Europäische Kommission — 7. Umweltaktionsprogramm (auf Englisch)
- Europäische Kommission — Unternehmen und Industrie – REACH