Archive:Stromerzeugung, Stromverbrauch und Marktüberblick
- Daten von September 2012. Neueste Daten: Weitere Informationen von Eurostat, Haupttabellen und Datenbank.
In diesem Artikel wird der Strommarkt in der Europäischen Union (EU) beschrieben. Bei der Analyse der Stromerzeugung wird nach verschiedenen hierfür eingesetzten Energiequellen unterschieden. Ferner werden Statistiken zum Grad der Liberalisierung der Strommärkte (gemessen am Marktanteil des größten Stromerzeugers) untersucht und abschließend nähere Angaben zum Stromverbrauch der privaten Haushalte gemacht.
Im September 2007 verabschiedete die Europäische Kommission ihr drittes Legislativpaket zur Liberalisierung der Energiemärkte. Dieses Paket enthielt Vorschläge für die Schaffung eines wettbewerbsfähigen Energiemarkts, die Ausweitung der Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher, die Förderung fairerer Energiepreise, die Schaffung eines Angebots an umweltfreundlicherer Energie und die Erhöhung der Versorgungssicherheit. Zur Verwirklichung dieser Ziele sahen diese Vorschläge vor, Erzeugung und Versorgung von den Übertragungsnetzen zu trennen, Zusammenarbeit, Investitionen und Handel im Energiebereich über die Grenzen hinweg zu erleichtern, die Effizienz der Regulierung zu optimieren, die Markttransparenz zu verbessern und die Solidarität zwischen den EU-Mitgliedstaaten zu stärken. Aus den Vorschlägen ging schließlich die Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt hervor. Seit März 2011 sind diese Richtlinie und andere, die mit dem dritten Legislativpaket zusammenhängen, in nationales Recht umgesetzt.
Wichtigste statistische Ergebnisse
Stromerzeugung
Die Nettostromerzeugung belief sich 2010 in der EU 27 auf insgesamt 3,18 Mio. Gigawattstunden (GWh). Gegenüber dem Vorjahr war dies ein Anstieg um 4,5 %, wodurch der Rückgang um 4,9 %, der den Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise zuzuschreiben war, nahezu vollständig aufgehoben wurde (siehe Tabelle 1). Die Nettostromerzeugung 2010 erreichte so fast wieder den Höchstwert von 2008 (3,20 Mio. GWh).
Den höchsten Anteil an der Nettostromerzeugung in der EU 27 hatte 2010 Deutschland mit 18,6 %, knapp vor Frankreich (17,1 %). Neben diesen beiden Ländern wies nur das Vereinigte Königreich einen Anteil in zweistelliger Höhe auf (11,5 %).
Die Entwicklung der Stromerzeugung in der EU 27, nämlich ein Rückgang 2009 und ein erneuter Anstieg 2010, war in den meisten einzelnen Mitgliedstaaten zu beobachten. Es gab jedoch einige bemerkenswerte Abweichungen: In Griechenland und Malta ging die Nettostromerzeugung in beiden Jahren zurück, und in Litauen sank die Stromerzeugung 2010 sogar um 62,2 %. Letzteres könnte auf die Stilllegung des letzten Kernreaktors in Litauen Ende 2009 zurückzuführen sein. In einem anderen baltischen Land dagegen, in Estland, stieg die Nettostromerzeugung 2010 um 48,8 %, was zum Teil an einer stärkeren Nutzung erneuerbarer Energiequellen lag – Kraft-Wärme-Kopplung mit Holz als Brennstoff sowie Windkraft.
Mehr als ein Viertel der Nettostromerzeugung in der EU 27 stammte 2010 aus Kernkraftwerken (27,3 %), ein fast doppelt so großer Anteil (54,8 %) wurde in mit Brennstoffen wie Erdgas, Kohle oder Öl betriebenen Kraftwerken erzeugt. Von den erneuerbaren Energiequellen (Abbildung 1) entfiel 2010 der größte Anteil der Nettostromerzeugung auf Wasserkraft (12,2 %), gefolgt von Windturbinen (4,6 %) und Solarenergie (0,7 %).
Die relative Bedeutung erneuerbarer Energiequellen bei der Nettostromerzeugung in der EU 27 nahm zwischen 2000 und 2010 zu, während sie bei Brennstoffen fast unverändert blieb und die Erzeugung von Strom in Kernkraftwerken zurückging. Der Anteil der Nettostromerzeugung aus Kernenergie sank von 31,2 % im Jahr 2000 auf 27,3 % im Jahr 2010. Was die erneuerbaren Energiequellen betrifft, nahmen die Anteile der Solar- und der Windenergie an der Nettostromerzeugung erheblich zu, wenngleich der Anteil bei der Solarenergie gering blieb: Er stieg von nahezu Null im Jahr 2000 auf 0,7 % im Jahr 2010. Der Anteil der Windkraft erhöhte sich von 0,8 % im Jahr 2000 auf 4,6 % im Jahr 2010.
Marktanteile
Als ein Maß für den Fortschritt bei der Liberalisierung des Strommarkts gilt der Marktanteil des größten Stromerzeugers in den betreffenden Ländern (siehe Abbildung 2). In den beiden kleinen Inselstaaten Zypern und Malta bestand 2010 ein vollständiges Monopol: Hier wurden 100 % des Stroms vom größten (und einzigen) Erzeuger geliefert. In fünf weiteren Mitgliedstaaten – Estland, Lettland, Frankreich, Luxemburg und Griechenland – betrug der Anteil 85 % oder mehr. In 13 der 24 Mitgliedstaaten, für die Daten vorliegen, entfielen weniger als 50 % des gesamten Stroms auf den größten Erzeuger. Den niedrigsten Wert meldete Polen (17,4 %).
Stromverbrauch der Haushalte
In den zehn Jahren von 2000 bis 2010 stieg der Stromverbrauch der privaten Haushalte in der EU 27 um insgesamt 18,0 % (siehe Abbildung 3). Einige Mitgliedstaaten verzeichneten einen noch wesentlich stärkeren Anstieg, insbesondere Spanien, Zypern, Rumänien, Portugal, Polen und die drei baltischen Mitgliedstaaten, wo der Zuwachs mindestens doppelt so hoch ausfiel wie im Durchschnitt der EU 27. In vier Mitgliedstaaten (in Schweden, Malta, Belgien und der Slowakei) entwickelte sich der Stromverbrauch der privaten Haushalte allerdings rückläufig – in letztgenanntem Land betrug der Rückgang fast 20 %. Diese Ergebnisse für den Gesamtstromverbrauch privater Haushalte dürften zum Teil von der durchschnittlichen Zahl der Haushaltsmitglieder und der Gesamtzahl der Haushalte beeinflusst sein – beides Faktoren, die mit der Bevölkerungsentwicklung zusammenhängen.
Datenquellen und Datenverfügbarkeit
Strom wird als primäres oder sekundäres Produkt in Kraftwerken erzeugt. Die Gesamtmenge des erzeugten Stroms wird als Bruttostromerzeugung bezeichnet. Die Kraftwerke verbrauchen jedoch eine gewisse Menge an Strom für den Eigenbedarf (in Hilfsaggregaten und Transformatoren). Die Nettostromerzeugung erhält man, wenn man diese Menge von der Bruttoerzeugung abzieht. Die Nettoerzeugung wird über nationale Übertragungs- und Verteilungsnetze an die Endverbraucher geleitet, in Elektrokesseln oder Wärmepumpen in Wärme verwandelt, mit Hilfe von Pumpspeicherwerken gespeichert oder gehandelt (aus- oder eingeführt).
Der Endstromverbrauch umfasst den an den Endverbraucher (Industrie, Verkehr, Haushalte und andere Sektoren) gelieferten Strom. Nicht enthalten sind die zur Umwandlung und/oder für den Eigenverbrauch der Energieerzeuger gelieferten Mengen sowie Netzverluste.
Der Marktanteil der Stromerzeuger basiert auf der Nettostromerzeugung; der von den Erzeugern selbst verbrauchte Strom wird dabei also nicht berücksichtigt.
Kontext
Seit Juli 2004 können Kleinbetriebe in der EU ihren Gas- oder Stromlieferanten frei wählen, und im Juli 2007 wurde dieses Recht auf alle Verbraucher ausgeweitet. In allen Mitgliedstaaten wurden unabhängige nationale Regulierungsbehörden eingerichtet, um die Ordnungsmäßigkeit der Tätigkeit von Lieferanten und Netzbetreibern zu gewährleisten. Nachdem jedoch bei der Öffnung der Märkte Mängel festgestellt worden waren, wurde beschlossen, ein drittes Legislativpaket mit Maßnahmen zu verabschieden, die sicherstellen sollen, dass alle Nutzer von den Vorteilen eines Energiemarkts mit echtem Wettbewerb profitieren können.
Im September 2007 verabschiedete die Europäische Kommission ihr drittes Legislativpaket zur Liberalisierung der Energiemärkte. Im Laufe des Jahres 2009 stimmten das Europäische Parlament und der Rat mehreren dieser Vorschläge zu:
- Verordnung (EG) Nr. 713/2009 vom 13. Juli 2009 zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden;
- Verordnung (EG) Nr. 714/2009 vom 13. Juli 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003;
- Richtlinie 2009/72/EG vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG.
Am 17. November 2010 legte die Europäische Kommission ihre Mitteilung Energieinfrastrukturprioritäten bis 2020 und danach – ein Konzept für ein integriertes europäisches Energienetz vor (KOM(2010) 677 endg.), in der sie vorrangige Korridore für Strom, Gas und Öl aufführte. Am 19. Oktober 2011 folgte darauf ein Vorschlag für eine Verordnung zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur (KOM(2011) 658 endg.), mit der sichergestellt werden soll, dass bis 2020 zwölf vorrangige Korridore für strategische Energienetze und Speicheranlagen fertiggestellt sind.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Abhängigkeit von Primärenergieeinfuhren, der steigenden Öl- und Gaspreise und der Verpflichtung zur Reduzierung des Treibhausgasausstoßes ist die Nutzung von Kernenergie zur Stromerzeugung wieder stärker ins Blickfeld gerückt. Demgegenüber bestehen seit langem Bedenken wegen der Sicherheit der Kernenergie und der Entsorgung der Abfälle aus Kernkraftwerken, die unmittelbar nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima Dai-ichi, die durch das schwere Erdbeben im Osten Japans (Region Tōhoku) und den anschließenden Tsunami im März 2011 ausgelöst wurde, verstärkt in den Mittelpunkt gerieten. Während einige Mitgliedstaaten bestehende Reaktoren weiterbetreiben oder an ihren Plänen zum Bau neuer Kernkraftwerke festhalten, beschlossen andere, ihren Umgang mit bestehenden Anlagen zu überprüfen bzw. in einigen Fällen zu ändern sowie vom Bau geplanter neuer Kernkraftwerke abzusehen.
Weitere Informationen von Eurostat
Veröffentlichungen
- Energy balance sheets – Data 2008-2009 (auf Englisch)
- Energy – yearly statistics – Year 2008 (auf Englisch)
- Panorama of energy: energy statistics to support EU policies and solutions – 2009 edition (auf Englisch)
Haupttabellen
- Energie (t_nrg), siehe:
- Energiestatistik – Hauptindikatoren (t_nrg_indic)
- Marktanteil des größten Erzeugers im Strommarkt (ten00119)
- Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energiequellen (tsdcc330)
- Energiestatistik – Mengen (t_nrg_quant)
- Bruttostromerzeugung insgesamt (ten00087)
- Stromverbrauch der Industrie, des Verkehrswesens und der privaten Haushalte/Dienstleistungen (ten00094)
- Stromverbrauch der privaten Haushalte (tsdpc310)
- Energiestatistik – Preise (t_nrg_price)
- Strompreise nach Art des Verbrauchers (ten00117)
Datenbank
- Energie (nrg), siehe:
- Energiestatistik – Hauptindikatoren (nrg_indic)
- Marktanteil des größten Erzeugers im Strommarkt(nrg_ind_331a)
- Versorgung - Elektrizität - monatliche Daten (nrg_ind_342m)
- Energiestatistik – Mengen, jährliche Daten(nrg_quant)
- Energiestatistik - Versorgung, Umwandlung, Verbrauch (nrg_10)
- Versorgung, Umwandlung, Verbrauch - Elektrizität - jährliche Daten (nrg_105a)
- Energiestatistik - Versorgung, Umwandlung, Verbrauch (nrg_10)
- Energiestatistik – Mengen, monatliche Daten(nrg_quantm)
- Energiestatistik - Versorgung, Umwandlung, Verbrauch (nrg_10m)
- Versorgung – Elektrizität – monatliche Daten(nrg_105m)
- Energiestatistik - Versorgung, Umwandlung, Verbrauch (nrg_10m)
Methodik / Metadaten
- Energiestatistik (ESMS-Metadaten – nrg_indic_esms)
- Energiestatistik – Mengen (ESMS-Metadaten – nrg_quant_esms)
Weitere Informationen
- Richtlinie 2009/72/EG vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt
- Verordnung (EG) Nr. 713/2009 vom 13. Juli 2009 zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden
- Verordnung (EG) Nr. 714/2009 vom 13. Juli 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel
Quelldaten für die Tabellen und Abbildungen (MS Excel)
Weblinks
- Eurelectric - Electricity for Europe - Statistics (auf Englisch)
- Europäische Kommission – Energie – Gas & Strom – Electricity Regulatory Forum (Florenz)
- Internationale Energieagentur (IEA) - Strom (auf Englisch)
Siehe auch
- Electricity market indicators (auf Englisch)
- Electricity production and supply statistics (auf Englisch)
- Energieerzeugung und -einfuhren
- Energieverbrauch
- Sustainable development - climate change and energy (auf Englisch)