Vom Wind auf See zum Strom aufs Land: Das europäische Programm REPowerEU setzt auf erneuerbare Energie – zum Beispiel aus dem Windpark He Dreiht vor der Küste Borkums in der Nordsee
An der Kaianlage im niederländischen Eemshaven lagern schon die stählernen Fundamente, demnächst kommen die nächsten Elemente für die gewaltigen Windräder im Windpark He Dreiht (Platt für “Er dreht”). Jörn Däinghaus, Projektleiter He Dreiht beim Energieversorger EnBW, sagt: „Im Mai legen wir los. Dann beginnen die Installationsarbeiten für den Windpark im deutschen Teil der Nordsee."
Rund 90 Kilometer vor der Insel Borkum und 110 Kilometer vor der Küste Helgolands startet mit dem Bau des Offshore-Windparks eines der größten Energiewendeprojekte in Europa. 64 Windräder, rund 140 Meter hoch, mit einer Leistung von jeweils 15 Megawatt werden bis Ende 2025 installiert. „Rein rechnerisch kann der Windpark He Dreiht 1,1 Millionen Haushalte mit Strom versorgen", erläutert Projektleiter Däinghaus.
Bereits unmittelbar nach Russlands Überfall auf die Ukraine legte die EU-Kommission vor zwei Jahren im Rahmen des europäischen Grünen Deal das Programm REPowerEU vor. Eines der Ziele: der Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2030 auf mindestens 42,5 Prozent. EU-Energiekommissarin Kadri Simson betont: „Es geht darum, die Energieunabhängigkeit Europas zu stärken, indem die erneuerbaren Energien massiv ausgebaut werden. Wir müssen unsere Installationsrate beschleunigen, und bei den erneuerbaren Energien entschlossener sein."
Förderung durch europäische Klimabank EIB
So wie beim Energieversorger EnBW. Bei der Finanzierung des Energiewendeprojekts He Dreiht mit Investitionen von insgesamt rund 2,4 Milliarden Euro setzt das deutsche Unternehmen auf europäische Unterstützung. Die Europäische Investitionsbank (EIB) sichert die Finanzierung des Vorhabens mit 600 Millionen Euro. Allein in Deutschland steigerte Europas Klimabank im vergangenen Jahr die Kreditvergabe auf In Deutschland 8,6 Milliarden, davon flossen zwei Drittel in Klimaprojekte . Nicola Beer, die neue EIB-Vizepräsidentin aus Deutschland, sagt: „Mit der weiterhin starken Unterstützung erneuerbarer Energien im Jahr 2023 erhöhen wir die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen." Beer ergänzt: „Unsere Ergebnisse, unser Beitrag zur grünen Transformation und unsere Investitionen in Innovation und Dekarbonisierung der Industrie zeigen das hohe Engagement der EIB-Gruppe bei der Bewältigung der Herausforderungen, vor denen nicht nur Deutschland, sondern die gesamte EU steht."
Windparks Baltic 1 und 2
Die EIB unterstützte EnBW bereits zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts bei den Windparks Baltic 1 und Baltic 2 vor der deutschen Ostseeküste. Däinghaus war damals schon bei diesen ersten beiden Offshore-Projekten des Unternehmens mit dabei. Im Rückblick sagt er: „Die Komponenten werden immer größer. Die Windkraftanlagen von Baltic 1, die 2011 errichtet wurden, hatten eine installierte Leistung von jeweils 2,3 Megawatt (MW). Baltic 2 ab 2015 dann schon 3,6 MW. Jetzt ist 2024 und wir bauen He Dreiht mit einer Leistung von 15 MW pro Windrad." Die Leistung steigt. Und damit steigen auch die Herausforderungen.
Grüner Strom ab 2025
Däinghaus hat sein Büro im Hamburger Chile-Haus. Um zu zeigen, wie gewaltig die Anlagen sind, die bald in der Nordsee zwischen Borkum und Helgoland Wind auf See in grünen Strom umwandeln, zeigt er eine kleine Folie. Hinter dem Chile-Haus mit seinem roten Backsteinmauern ragt auf der Animation ein Stahlkohloss über den markanten Bau. „Monopiles" nennt Wirtschaftsingenieur Däinghaus die 70 Meter hohen Stahlfundamente für die Windräder. Um die Stahlteile in der Nordsee zu verankern, ist das zweitgrößte Kranschiff der Welt geordert. In einer zweiten Animation steht ein überdimensioniertes Stahlgestell – fast so hoch wie das Chile-Haus. Die Konstruktion ummantelt unter Wasser das Fundament und verringert damit die Schallwellen, die bei der Installation entstehen. Das soll die Schweinswale in der Nordsee schützen.
Stromabnehmer sind bereits gefunden
Däinghaus und sein Team wollen den Windpark bis Ende 2025 fertigstellen. Zahlreiche Abnehmer für den Strom sind bereits gefunden: die Deutsche Bahn AG, Fraport, der Betreiber des Frankfurter Flughafens, die Salzgitter AG und weitere Unternehmen. Die Nachfrage nach grünem Strom wächst. Gerade in der Wirtschaft. „Die Fertigung der Gondel und Türme für die Windturbinen für He Dreiht erfolgt in Dänemark, die Rotorblätter werden in Italien produziert, die Fundamente werden teils in Deutschland, den Niederlanden, Polen und UK gefertigt", erklärt Däinghaus. Der Windpark in der Nordsee ist ein echtes europäisches Projekt. Die Energiewende lässt sich eben nur gemeinsam meistern.
Good to know
Energiewende in Zahlen: 8,6 Milliarden Euro an günstigen Krediten hat die Europäische Investitionsbank (EIB) im vergangenen Jahr allein in Deutschland vergeben, das sind zwei Milliarden Euro mehr als 2022. 65 Prozent gingen in Klimaschutzmaßnahmen, 30 Prozent in neue Technologien.
39 Prozent des Stroms in der EU wurden 2022 durch erneuerbare Quellen wie Wind, Sonne und Wasser erzeugt.
Über eine Fläche von 63 Quadratkilometern erstreckt sich der Windpark “He Dreiht” (zu Deutsch “Er dreht”) in der Nordsee. Die 64 Windräder mit einer insgesamt installierten Leistung von 960 Megawatt können rechnerisch rund 1,1 Millionen Haushalte mit erneuerbarem Strom versorgen.