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Der rat der europäischen union
und die im rat vereinigten vertreter der regierungen der
mitgliedstaaten
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments,
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses,
nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen,
in Erwägung nachstehender Gründe:
1. Die Mitteilung der Europäischen Kommission mit dem Titel
"Chancengleichheit für behinderte Menschen Eine neue Strategie
der Europäischen Gemeinschaft in der Behindertenthematik" wird zur Kenntnis
genommen.
2. Behinderte Menschen machen einen nicht unerheblichen Teil der
Bevölkerung der Gemeinschaft aus und sehen sich als Gruppe zweifellos
einer Vielzahl von Beeinträchtigungen gegenüber, die sie an der
Erlangung der Chancengleichheit, der Unabhängigkeit und der vollen
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Eingliederung hindern.
3. Die Achtung der Menschenrechte ist ein Grundwert der Mitgliedstaaten,
der ausdrücklich in Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die
Europäische Union Erwähnung findet.
4. Außerdem handelt es sich bei dem Grundsatz der Chancengleichheit
für alle, einschließlich behinderter Menschen, um einen zentralen
Wertbegriff, der sämtlichen Mitgliedstaaten gemeinsam ist.
5. In der Empfehlung des Rates vom 24. Juli 1986 zur Beschäftigung
von Behinderten in der Gemeinschaft1 heißt
es, daß die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen ergreifen,
um eine angemessene Behandlung der Behinderten im Bereich der Beschäftigung
und der Berufsbildung sowohl bei der Erstausbildung und der Einstellung als
auch bei der Rehabilitation und der Wiedereingliederung zu gewährleisten.
1 ABl. L 225/43 vom
12.8.1986.
6. Die Freizügigkeit der Personen, die Vollendung und weitere
Ausgestaltung des Binnenmarktes sowie die Förderung der Rechte der
Verbraucher müssen zum Nutzen aller Bürger der Europäischen
Union, einschließlich der behinderten Menschen, gewährleistet
sein.
7. Die Verbesserung des sozialen Zusammenhalts innerhalb der
Europäischen Gemeinschaft setzt die Förderung der Chancengleichheit
und die Beseitigung der Diskriminierung behinderter Menschen voraus;
darüber hinaus ist der Zugang zu Regelschulen der allgemeinen und
beruflichen Bildung eine Vorbedingung für die erfolgreiche Eingliederung
in das wirtschaftliche und soziale Leben.
8. Hauptanliegen der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen
am 27. Dezember 19932 verabschiedeten
Rahmenbestimmungen für die Herstellung der Chancengleichheit für
Behinderte ist es, dafür zu sorgen, daß alle behinderten Menschen
die gleichen Rechte und Pflichten wie andere wahrnehmen können.
2 Resolution der Generalversammlung der
Vereinten Nationen 48/46 vom 20. Dezember 1993.
9. Diese Rahmenbestimmungen erfordern sowohl innerhalb der Staaten
als auch auf dem Wege der internationalen Zusammenarbeit Maßnahmen,
die den Grundsatz der Chancengleichheit behinderter Menschen
fördern.
10. In dem von der Kommission am 27. Juli
19943 verabschiedeten Weißbuch
Europäische Sozialpolitik - ein zukunftsweisender Weg für
die Union heißt es, daß die Kommission beabsichtigt, ein
geeignetes Instrument zur Unterstützung der Rahmenbestimmungen der Vereinten
Nationen für die Herstellung der Chancengleichheit für Behinderte
zu erarbeiten.
3 KOM(94) 333 vom 27. Juli
1994.
11. Die Verantwortung für diesen Bereich liegt zwar in erster
Linie bei den Mitgliedstaaten, doch sollte die Europäische Gemeinschaft
ihrerseits einen Beitrag leisten, indem sie die Zusammenarbeit der
Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet fördert und den Austausch und die
Entwicklung beispielhafter Praktiken unterstützt.
12. Die in dieser Entschließung dargelegten Ziele zur Herstellung
der Chancengleichheit für behinderte Menschen und zur Beendigung ihrer
Diskriminierung berühren nicht das Recht eines jeden Mitgliedstaats,
eigene Vorschriften und Regelungen zur Verwirklichung der besagten Ziele
zu erlassen, womit der Grundsatz der Subsidiarität voll gewahrt bleibt
NEHMEN FOLGENDE ENTSCHLIESSUNG AN:
DIE MITGLIEDSTAATEN
UNTERSTÜTZEN die Grundsätze und Wertvorstellungen, die den
Rahmenbestimmungen der Vereinten Nationen für die Herstellung der
Chancengleichheit für Behinderte zugrunde liegen. Dazu
gehören
-
die Wahrung des Grundsatzes der Chancengleichheit bei der Erarbeitung
umfassender Maßnahmen für behinderte Menschen,
-
die Vermeidung bzw. Abschaffung jeglicher Art der Diskriminierung
aufgrund von Behinderungen.
In dieser Entschließung beinhaltet
-
der Begriff behinderte Menschen alle Personen mit
körperlichen, sensorischen, psychischen oder geistigen Behinderungen,
deren Teilhabe an sämtlichen Bereichen des gemeinschaftlichen Lebens
auf der Grundlage der Gleichberechtigung und der Wahrnehmbarkeit der Rechte
beeinträchtigt ist;
-
der Begriff Herstellung der Chancengleichheit den
Prozeß, durch den die verschiedenen Systeme der Gesellschaft und der
Umwelt, wie Dienstleistungen, Aktivitäten, Informationen und Dokumentation,
allen Menschen auf der Grundlage der Gleichberechtigung und der Wahrnehmbarkeit
der Rechte zugänglich gemacht werden.
Der Grundsatz der Wahrnehmbarkeit gleicher Rechte setzt voraus, daß
die Bedürfnisse eines jeden Menschen als gleichrangig behandelt werden,
daß die Achtung der menschlichen Vielfalt die Grundlage für die
Gestaltung der Gesellschaft bildet und daß alle verfügbaren Ressourcen
mit dem Ziel eingesetzt werden, jedem Individuum gleiche Möglichkeiten
zur Teilhabe zu gewähren.
VERPFLICHTEN SICH, einzelstaatliche Maßnahmen, soweit nötig oder
angebracht, den dieser Entschließung beigefügten Leitlinien
entsprechend anzupassen.
VERPFLICHTEN SICH, für die gegenseitige Zusammenarbeit sowie die
Zusammenarbeit mit der Kommission bei der Erstellung und Aufbereitung von
Ausgangsdaten in bezug auf behinderte Menschen zu sorgen.
VERPFLICHTEN SICH, dafür Sorge zu tragen, daß Vertreter der
behinderten Menschen aktiv in die Umsetzung und Überwachung von für
diese Bevölkerungsgruppe bestimmten Maßnahmen und Aktionen der
Gemeinschaft einbezogen werden.
FORDERN DAHER DIE KOMMISSION AUF,
a) durch geeignete Mechanismen - in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten
und mit Nichtregierungsorganisationen von behinderten bzw. für behinderte
Menschen - den systematischen Austausch nützlicher Informationen,
Statistiken und Erfahrungen, insbesondere zu innovativen Maßnahmen
und nachahmenswerten Praktiken, zu fördern;
b) sicherzustellen, daß die in dieser Entschließung und
den beigefügten Leitlinien dargelegten Grundsätze auch in den internen
Maßnahmen der Kommission und in den von ihr unterbreiteten
Vorschlägen zu Rechtsvorschriften, Programmen und Initiativen der
Gemeinschaft berücksichtigt werden;
c) dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem Wirtschafts- und
Sozialausschuß und dem Ausschuß der Regionen regelmäßig
Berichte auf der Grundlage von Informationen der Mitgliedstaaten vorzulegen,
in denen die bei der Umsetzung dieser Entschließung erzielten Fortschritte
und die dabei aufgetretenen Hemmnisse dargelegt werden.
ERSUCHEN andere Gemeinschaftsorgane und -institutionen, zu erwägen,
wie sie die vorgenannten Grundsätze besser in ihre eigenen internen
Maßnahmen und Tätigkeiten einbinden können.
LEITLINIEN
Rahmenkonzept zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit
für behinderte Menschen
In ihren Bemühungen um die Verwirklichung der Chancengleichheit
behinderter Menschen sollten die Mitgliedstaaten die nachstehend
aufgeführten Themenkreise gezielt berücksichtigen.
1. Befähigung behinderter Menschen zur Teilhabe an der
Gesellschaft
a. Achtung der Eigenständigkeit: Dies kann dadurch erfolgen,
daß behinderte Menschen als fähige, verantwortungsbewußte
Menschen anerkannt werden, die einen eigenen gleichberechtigten Anspruch
auf Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse haben. Daraus ergibt sich unter
anderem die Notwendigkeit, den Gedanken der eigenständigen
Lebensführung und der Bereitstellung der dafür erforderlichen Mittel
zu unterstützen. Die Verwirklichung der Integration und Teilhabe sowie
die dabei angewandten Methoden sollten jederzeit völlig im Einklang
mit der Würde, Eigenständigkeit und Privatsphäre des behinderten
Menschen stehen und diese achten.
b. Umstellung der Bildungs- und Ausbildungssysteme zur Förderung
der Teilhabe: Dies kann dadurch erreicht werden, daß behinderte Menschen
entsprechend ihren eigenen Möglichkeiten in die Lage versetzt werden,
gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und einer
Berufstätigkeit nachzugehen, die wirklich ihren Fähigkeiten entspricht.
Erforderlich sind dazu unter anderem die verstärkte Unterrichtung
behinderter Kinder an Regelschulen unter Einhaltung des Grundsatzes der
Entscheidungsfreiheit und ein fließender Übergang zwischen Regel-
und Sonderschulen, der für beide Seiten von Vorteil ist. Es sollte auch
mehr aktive Arbeitsmarktmaßnahmen geben, die den Zugang zu offener
und unterstützter Beschäftigung behinderter Menschen fördern.
Das Testen innovativer Trends (Telearbeit, selbständige
Erwerbstätigkeit, Einbeziehung in örtliche
Beschäftigungsinitiativen und Arbeitsplatzschaffungsprojekte in den
neuen Wirtschaftsbereichen mit beschäftigungswirksamem Wachstum usw.)
kann neue Wege in die Beschäftigung öffnen. Die Anwendung von
Informations- und Kommunikationssystemen hat den Beitrag behinderter Menschen
auf dem Arbeitsmarkt in seiner Effizienz und Wirksamkeit verstärkt.
Ein solcher Ansatz erfordert auch eine Überprüfung der
Ausbildungsmaßnahmen unter dem Gesichtspunkt ihrer
Zweckmäßigkeit.
c. Umstellung der Betreuungsleistungen und sonstiger Hilfen zur
Förderung der Teilhabe: Dies kann dadurch erfolgen, daß die
entsprechenden Hilfen inhaltlich neu bestimmt werden, damit sie nicht die
Isolierung des einzelnen verstärken, sondern aktiv zur Förderung
der Teilhabe an der Gesellschaft beitragen. Insbesondere sollte das
ständige Eingehen auf die Erfordernisse von behinderten Menschen als
wesentliche Unterstützung für die kontinuierliche Teilnahme am
gesellschaftlichen Leben angesehen werden. Allgemeine Gesundheits-,
Rehabilitations- und Präventionsstrategien sollten gegebenenfalls enger
an dem Ziel der Herstellung der Chancengleichheit ausgerichtet werden. Der
positive Trend hin zur gemeindenahen Rehabilitation sollte aktiv gefördert
und vorangetrieben werden.
d. Übergang zu einem personenorientierten Ansatz bei der
Konzipierung/Erbringung von Dienstleistungen: Dies kann dadurch erreicht
werden, daß die Gestaltung und Erbringung der Leistungen verbessert
wird. Bei solchen Veränderungen sollte grundlegend so verfahren werden,
daß bei der Konzipierung und späteren Überprüfung von
Betreuungsleistungen sowie bei ihrer konkreten Umsetzung der behinderte Mensch
im Mittelpunkt steht.
e. Integration: Dies kann dadurch erfolgen, daß der Erbringung
von Leistungen und Hilfsmaßnahmen innerhalb der allgemeinen Struktur
Vorrang eingeräumt wird, und daß behinderte Menschen in die Lage
versetzt werden, in der Gemeinschaft zu leben und mit den nötigen Hilfen,
die leistungsfähig und kosteneffizient sein sollten, ein normales Leben
zu führen.
f. Gewährleistung einer nahtlosen Betreuung: Dies kann dadurch
verwirklicht werden, daß Schritte zur Koordinierung der Gestaltung
und Erbringung von Betreuungsleistungen eingeleitet werden, ein Verfahren
zur Klärung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten entwickelt
wird, eine lückenlose begleitende Betreuung des behinderten Menschen
über den gesamten Lebensverlauf sichergestellt ist sowie schlüssige
und allgemein zugängliche Informationskonzepte entwickelt werden. Der
Einrichtung ressortübergreifender Koordinierungsstellen gebührt
dabei besondere Aufmerksamkeit.
g. Gewährleistung des Grundsatzes der Teilhabe: Dies kann dadurch
erfolgen, daß die Schaffung weiterer Nichtregierungsorganisationen
(NRO) gefördert und erleichtert wird, die direkt die Belange von behinderten
Menschen vertreten, und daß bei der Konzipierung und Bewertung aller
einschlägigen Rechtsvorschriften und bei der Erbringung von Leistungen
auf allen Ebenen ein Dialog aufgebaut wird. Darin sollten auch Politikfelder
einbezogen werden, die sich möglicherweise auf die Inanspruchnahme des
Grundsatzes der Chancengleichheit behinderter Menschen auswirken. Die Teilhabe
sollte als Voraussetzung für eine wirksame politische Willensbildung
gelten. Die Unterstützung nationaler Netzwerke solcher NRO, u.a. durch
den Einsatz von Informationstechnologie, sollte dabei besondere
Berücksichtigung finden. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Einbeziehung
derartiger NRO als gleichberechtigte Partner von Kommunen,
Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften bei der Entwicklung von lokalen
Konzepten zur Förderung von Chancengleichheit und
Nichtdiskriminierung.
2. Beseitigung der Zugangsschranken
Untersuchung der Zugangsproblematik vor dem Hintergrund des Grundsatzes
der Chancengleichheit und des Rechts auf Teilhabe: Dies kann dadurch erreicht
werden, daß die bestehenden baulichen, kommunikations- und
verkehrstechnischen Schranken schrittweise abgebaut sowie detaillierte und
durchsetzbare Leitlinien zur Zugänglichkeit entwickelt werden. Hinzu
kommt ein behindertengerechter Ansatz bei der Planung und Errichtung neuer
baulicher Anlagen sowie bei der Entwicklung neuer Kommunikationstechnologien.
Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei die Nutzung positiver Entwicklungen
auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologien.
3. Öffnung verschiedener Bereiche der
Gesellschaft
a. Durch Bekräftigung des staatsbürgerlichen
Gleichheitsgrundsatzes für behinderte Menschen: Dies kann dadurch erfolgen,
daß behinderte Menschen zum Zwecke der Mitwirkung in allen Bereichen
der Gesellschaft, einschließlich des sozialen, bildungsbezogenen,
wirtschaftlichen, kulturellen, sportlichen, touristischen und politischen
Bereichs, mit gleichen und wahrnehmbaren Rechten ausgestattet werden. Damit
ist unter anderem die Möglichkeit verbunden, Ausgrenzung als Diskriminierung
einzustufen und geeignete Maßnahmen und rechtliche Schritte gegen eine
solche Diskriminierung vorzusehen. Alle Maßnahmen dieser Art sollten
dem Grundsatz der angemessenen Berücksichtigung der Situation
behinderter Menschen Rechnung tragen. Inhaltliche Fragen zur kontinuierlichen
und realen Verbesserung der Lebensqualität stellen ein ebenso wichtiges
Anliegen dar.
b. Durch Förderung der Beschäftigung von behinderten Menschen
als Schlüssel zur Integration: Dies kann dadurch erreicht werden, daß
zu diesem Zweck abgestimmte Konzepte in verschiedenen Bereichen realisiert
werden: Bildung, Ausbildung, Beschäftigung, Nichtdiskriminierung,
Sozialfürsorge, soziale Dienstleistungen, Wohnung, Gesundheitswesen
usw. Auch dies sind Bereiche, in denen die Einführung entsprechender
Rechtsvorschriften zur Verhinderung von Diskriminierung gegebenenfalls
erforderlich ist. Das Erfordernis der angemessenen
Berücksichtigung der Situation behinderter Menschen sollte
normalerweise in derartigen Rechtsvorschriften verankert werden. Spezielle
Beachtung verdient auch die aktive Entwicklung und Unterstützung des
Trends zur geförderten Beschäftigung.
4. Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Konzepte zur
Chancengleichheit behinderter Menschen
Sensibilisierung und Aufklärung: Dies kann dadurch erfolgen,
daß Konzepte zur Beeinflussung grundlegender gesellschaftlicher
Einstellungen gegenüber behinderten Menschen durch Sensibilisierung
und Aufklärung entwickelt werden. Diese Konzepte sollten den Blick der
Öffentlichkeit über die Behinderung hinaus auf den Menschen richten.
Die Fähigkeiten der behinderten Menschen sowie ihr gleichrangiges
menschliches Verlangen und Recht, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen
und die daraus erwachsenden Verpflichtungen zu übernehmen, sind
stärker in das Bewußtsein der Öffentlichkeit zu
rücken.
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