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Taxation and Customs Union

Beschlussfassung in Bezug auf die Steuerpolitik der EU

Wie werden Steuergesetze in der EU erlassen?

Die Europäische Kommission unterbreitet einen Gesetzgebungsvorschlag oder einen Änderungsvorschlag zu bestehendem EU-Steuerrecht.
Die Annahme der EU-Steuergesetzgebung erfolgt derzeit im Rahmen eines besonderen Gesetzgebungsverfahrens. Alleiniger Gesetzgeber ist der Rat der Europäischen Union, kurz Rat (der sich aus Vertretern aller Mitgliedstaaten zusammensetzt). Das Europäische Parlament wird konsultiert.

Am 15. Januar 2019 hat die Kommission eine Mitteilung herausgegeben, wie Schritt für Schritt vom Abstimmungsverfahren der Einstimmigkeit zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren übergegangen werden soll. Bei diesem Verfahren sind das Europäische Parlament und der Rat gemeinsamer Gesetzgeber.

Das besondere Gesetzgebungsverfahren mit Konsultation

Beim besonderen Gesetzgebungsverfahren mit Konsultation ist der Rat praktisch der alleinige Gesetzgeber. Er nimmt Gesetzgebungsvorschläge an.

Das Europäische Parlament wird konsultiert und kann einen Gesetzgebungsvorschlag annehmen oder Änderungen dazu vorschlagen oder ablehnen. Der Rat ist jedoch nicht an die Stellungnahme des Parlaments gebunden. Der Rat darf einen Gesetzgebungsvorschlag jedoch nicht annehmen, solange das Parlament keine Stellungnahme abgegeben hat.

Im Rahmen dieser Art des besonderen Gesetzgebungsverfahrens werden Gesetzgebungsvorschläge mit Einstimmigkeit des Rates angenommen. Das bedeutet, dass jeder Mitgliedstaat dem Vorschlag zustimmen muss, damit dieser angenommen werden kann.

Weshalb muss die derzeitige Beschlussfassung zur Steuergesetzgebung geändert werden?

Die Voraussetzung einstimmiger Beschlüsse erschwert Fortschritte und schränkt das Potenzial der EU-Steuergesetzgebung ein, einen gut funktionierenden EU-Binnenmarkt zu fördern.

  • Die Voraussetzung der Einstimmigkeit macht es sehr schwer, überhaupt Kompromisse zu schließen, da das Veto eines einzigen Mitgliedstaates ausreicht, um eine Einigung zu verhindern.

So kann die Beschlussfassung über Steuergesetzgebung Jahre dauern. Auch kann es passieren, dass Gesetzgebungsvorschläge im Rat blockiert werden, ohne auch nur ein einziges Mal beraten worden zu sein.

  • Selbst wenn ein einstimmiger Beschluss erzielt wird, handelt es sich dabei meist um den kleinsten gemeinsamen Nenner. Dies schränkt die positive Wirkung von Gesetzgebung für Wirtschaft und Verbraucher ein oder macht die Umsetzung unnötig umständlich.
  • Manche Mitgliedstaaten nutzen die Einstimmigkeit als Faustpfand für Forderungen, die sie in ganz anderen Angelegenheiten vertreten.
  • Einstimmig gefasste Beschlüsse können nur einstimmig aufgehoben oder geändert werden. Deshalb agieren die Mitgliedstaaten oftmals übermäßig vorsichtig, was die Ambitionen verwässert und das Endergebnis schmälert.

Vorschlag für den Wechsel zum Abstimmungsverfahren der qualifizierten Mehrheit

Am 15. Januar 2019 hat die Kommission eine Mitteilung herausgegeben, wie Schritt für Schritt vom Abstimmungsverfahren der Einstimmigkeit zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren übergegangen werden soll.

Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren wird bereits für über 80 % der Gesetzgebungsverfahren angewendet. Bei diesem Verfahren haben das Europäische Parlament und der Rat gleiches Mitspracherecht bei der Annahme von Gesetzgebungsvorschlägen.

Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren werden Gesetzgebungsvorschläge im Rat mit qualifizierter Mehrheit angenommen.

Wie funktioniert die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit?

Bei Abstimmungen des Rates über einen Gesetzgebungsvorschlag kommt eine qualifizierte Mehrheit zustande, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:

  • 55% der Mitgliedstaaten stimmen für den Vorschlag;
  • der Vorschlag wird von Mitgliedstaaten unterstützt, die zusammen mindestens 65% der Bevölkerung der EU ausmachen

Da beide Bedingungen erfüllt sein müssen, wird dieses Verfahren auch Beschlussfassung mit „doppelter Mehrheit“ genannt.

Beschlüsse können von einer sogenannten „Sperrminorität“ aufgehalten werden. Eine Sperrminorität muss von mindestens vier Ratsmitgliedern gebildet werden, die zusammen mehr als 35 % der EU-Bevölkerung vertreten.

Welche Vorteile bringt der Wechsel zur qualifizierten Mehrheit?

Der Ausschluss des direkt gewählten Europäischen Parlaments von der Beschlussfassung zu wichtigen Politikbereichen wie der Steuergesetzgebung widerspricht den demokratischen Zielsetzungen der Europäischen Union.

Der Wechsel zum Abstimmungsverfahren der qualifizierten Mehrheit im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens würde dieses Demokratiedefizit beheben und dem Europäischen Parlament die umfassende Teilhabe an der Gestaltung der EU-Steuergesetzgebung ermöglichen.

Dadurch sollte auch ein Beitrag zur Stärkung der demokratischen Legitimität und der Verantwortlichkeit im Bereich der EU-Steuergesetzgebung geleistet werden.

Zudem würde der Wechsel zum Abstimmungsverfahren der qualifizierten Mehrheit die Beschlussfassung über Gesetzgebungsvorschläge im Bereich Steuergesetzgebung beschleunigen und für die Regelung künftiger Angelegenheiten angemessener machen. Dadurch würde eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten gewährleistet und folglich die Beschlussfassung auf EU-Ebene verbessert.

Besser koordiniertes und ehrgeizigeres Handeln auf Seiten der EU wäre nicht nur einem stärkeren, dynamischeren Binnenmarkt zuträglich, sondern würde auch auf internationaler Ebene für eine gerechtere Steuerumgebung sorgen.