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Wiederbelebung von Sekundärgetreide im Alpenraum: Buchweizen, Hirse und Hafer

  • 21 September 2018

In den Hochgebirgen der Alpen ist es seit den 1960er Jahren in der Landwirtschaft traditionell üblich, Nutzpflanzen wie Hafer, Hirse oder Buchweizen anzubauen. Das Projekt RE-CEREAL lässt diese Tradition wieder aufleben und bringt diese nährstoffreichen, widerstandsfähigen und anspruchslosen Pflanzen in den Alpenraum Österreichs und Italiens zurück, um auf diese Weise gesunde und nachhaltige Ernährung zu fördern. Das Getreide wird für nahrhafte Lebensmittel wie Brot, Pasta oder Kekse verwendet.

RE-CEREAL hat ehrgeizige Ziele. Wir wollen Hirse- und Buchweizensorten entwickeln, die mehr Ertrag liefern und bessere sensorische sowie nährwertbezogene Eigenschaften zeigen und somit den Anforderungen der Landwirte, der Lebensmittelindustrie und der Verbraucher entsprechen. Außerdem sind wir auf der Suche nach dem bestmöglichen Mahlverfahren, damit die Verbraucher vom hohen Nährstoffgehalt dieser Getreidesorten profitieren.

Silvano Ciani, Lead Corporate Research & Innovation – Basic Research, Dr. Schär R&D Centre

Mit Hilfe von Sortenprüfungen auf dem Feld und im Labor hat RE-CEREAL zwei Buchweizen- und vier Hirsesorten identifiziert, die ein hohes Ertragspotenzial sowie gute sensorische, nährwertbezogene und technologische Eigenschaften haben. Die zwei Buchweizensorten und zwei der Hirsesorten, die bisher in dieser Region nicht angebaut wurden, bilden die Grundlage eines Programms, in dem die Pflanzen mit konventioneller Züchtung genetisch verbessert werden sollen, damit für Verbraucher, Landwirte und die Lebensmittelindustrie bessere Sorten entstehen.

Es wurden Methoden zur Optimierung der Kornverarbeitung untersucht, die den gesundheitlichen Nutzen erhöhen und lokalen Lebensmittelketten einen Mehrwert bieten können. Gleichzeitig werden Verfahren entwickelt, mit denen in den Pflanzensorten Antioxidantien gemessen und Aminosäuren analysiert werden können. Mit diesen Daten kreierte das Projektteam dann nährstoffreiche Nahrungsmittel, u. a. Brot, Pasta und Kekse.

Gegen Monokulturen

Der Anbau von Gerste, Roggen, Hafer, Hirse und Buchweizen – auch als „Sekundärgetreide“ oder „Pseudogetreide“ bezeichnet – war in den Alpen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts weit verbreitet. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Vielfalt der in dieser Region angebauten Nutzpflanzen dramatisch abgenommen. Heute sind große landwirtschaftliche Flächen mit ertragreichen Monokulturen wie Weizen oder Mais bepflanzt, von dem ein Großteil als Tierfutter genutzt wird. Parallel zur sinkenden Vielfalt haben auch der Gesundheits- und Nährwert der Pflanzen abgenommen, die Verbraucher wissen weniger über den Anbau und die Verarbeitung von Sekundär- und Pseudogetreide und haben wenig Interesse, diese Sorten zu verwenden.

Der Anbau von Sekundär- und Pseudogetreide vergrößert nicht nur die Biodiversität, sondern auch die ökologische Nachhaltigkeit, da agronomisch nur wenig investiert werden muss, und sie bereichern die Ernährung mit ihrer Fülle an Mineralstoffen, Aminosäuren und Vitaminen.

RE-CEREAL hat ein Netzwerk an Universitäten, Forschungszentren und Unternehmen geschaffen, die Expertenwissen aus Genetik, Agrarökonomie, Chemie, Ernährungswissenschaften und Lebensmittelherstellung vereinen. Ziel des Projekts ist es, den Austausch von Wissen zwischen Österreich und Italien zu stärken und somit Innovationen in Ernährung und Landwirtschaft zu ermöglichen und Hindernisse beim Anbau von Sekundär- und Pseudogetreiden zu überwinden.

Das Projekt reagiert aber auch auf andere spezielle Probleme der Region, wie zum Beispiel auf die Notwendigkeit, strategische Wirtschaftsbereiche zu erneuern, damit sie auf globale Herausforderungen reagieren können, auf die mangelnde grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Forschungseinrichtungen und Unternehmen sowie auf die geringen Investitionen in die Forschung.

Pflanzen verbessern

Dank genetischer Analysen der in RE-CEREAL betrachteten Buchweizen- und Hirsesorten konnten Forscher Unterschiede zwischen ihnen untersuchen und ein effektives Zuchtprogramm etablieren. Da neue Sorten gefunden und bewertet wurden, konnte die Leistung von in der Projektregion bisher nicht untersuchten Materialien bestimmt werden, wodurch jetzt den Landwirten eine größere Vielfalt zur Verfügung steht. 

Anbaumethoden werden untersucht, um für jede Pflanze die bestmögliche Technik zu bestimmen. Parallel dazu ermöglicht die Entwicklung optimierter Verfahren zur Verarbeitung, Behandlung und Vermahlung des Korns die Herstellung von qualitativ hochwertigem Mehl. Neue Quantifizierungsmethoden der Eigenschaften von Korn und Mehl ermöglichen eine schnelle Analyse und erlauben es den Landwirten, Mühlen und Lebensmittelherstellern, die Produkteigenschaften besser zu messen.

Musterrezepte sind entstanden, auf deren Grundlage nährstoffreiche Lebensmittel hergestellt wurden, die nicht nur bei den Verbrauchern gut ankommen sollten, sondern auch der Agrar- und Lebensmittelbranche zugutekommen und Arbeitsplätze schaffen. An der weitreichenden Berichterstattung über das Projekt in der italienischen und österreichischen Presse sowie der starken Beteiligung an Veranstaltungen von RE-CEREAL lässt sich großes Interesse erkennen.

Begünstigte

„Ich habe mich immer schon für den Hirseanbau interessiert, weil die Pflanze nur wenig Dünger braucht und die langen niederschlagsfreien Phasen, die für unsere Region typisch sind, gut übersteht. Leider bringen die heute gängigen Sorten auf unserem Boden keinen sehr großen Ertrag, weshalb Hirse deutlich weniger angebaut wird. Ich habe an einem Feldtag des Projekts RE-CEREAL in Udine teilgenommen und dort Einblicke in die Arbeit der Forscher bekommen, die die Anbaumethoden verbessern und neue Hirsesorten einführen wollen. Ich bin mir sicher, dass die Ergebnisse aus RE-CEREAL und die entwickelten Kooperationen zwischen Landwirten und der Lebensmittelindustrie die Hirse in die Region Friaul-Julisch Venetien zurückbringen können."

 

Daniele Pavan, Eigentümer des Pavan-Hofs in Buttrio (Udine)

 

„Seit bei mir Zöliakie diagnostiziert wurde ist es schon normal geworden, dass ich sehr genau darüber nachdenke, was ich esse. Für mich ist eine große Vielfalt an Lebensmitteln wichtig. Vor Kurzem hab ich von dem europäischen Projekt RE-CEREAL gelesen und habe mich sehr darüber gefreut, dass es jetzt koordinierte Bemühungen gibt, Sekundärgetreide wie Buchweizen hier in Kärnten, wo ich wohne, anzubauen. Buchweizen hat viele ökologische Vorteile, ist leicht verdaulich und schmeckt auch lecker. Das hat mich direkt dazu inspiriert, viele alte Rezepte wieder rauszuholen, die meine Oma immer gekocht hat.“

 

Linnea Schütz, Zöliakie-Patientin aus Kärnten

Gesamtinvestition und EU-Mittel 

Die Gesamtinvestition für das Projekt „RE-CEREAL“ beläuft sich auf 1 322 623 EUR, an der sich der Europäische Fonds für regionale Entwicklung mit 999 999 EUR im Rahmen des operationellen Programms „Interreg V-A – Italien-Österreich“ für den Programmplanungszeitraum 2014-2020 beteiligt. Die Investition fällt unter die Priorität „Umwelt und Ressourceneffizienz“.