
Eine neu veröffentlichte Auswertung in der Zeitschrift für Soziologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) zur Bildungssituation von jungen Menschen zeigt, dass Jugendliche aus Familien mit Migrationsgeschichte in Ostdeutschland deutlich häufiger das Gymnasium besuchen als im Westen des Landes.
So besuchen im Osten 56 Prozent der Jugendlichen aus Familien mit Migrationshintergrund ein Gymnasium, während es in Westdeutschland lediglich 28 Prozent sind. Dem Autorenteam zufolge liegt der Hauptgrund in der sozialen bzw. sozioökonomischen Herkunft der Eltern.
Es zeigt sich, dass in Ostdeutschland geringere oder teilweise keine einwanderungsbezogenen Bildungsdisparitäten bestehen; im Gegenteil ergeben sich sogar Bildungsvorteile für Jugendliche der zweiten Einwanderungsgeneration im Gymnasialbereich. So besuchen ostdeutsche Schülerinnen und Schüler, deren Eltern nach Deutschland migriert sind, den Ergebnissen zufolge sogar häufiger ein Gymnasium als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, deren Eltern keine solche Migrationserfahrung aufweisen.
Die Erkenntnisse untermauern andere Studien, die den Bildungshintergrund und die finanzielle Situation der Eltern als maßgeblich für den Bildungserfolg ihrer Kinder betrachten, heißt es. In den westdeutschen Bundesländern arbeiten Migrantinnen und Migranten - anders als im Osten - immer noch häufig als niedrig qualifizierte und gering bezahlte Arbeitskräfte. Die geringere einwanderungsbezogene Ungleichheit in der Gymnasialbeteiligung in Ostdeutschland wird auf geringere einwanderungsbezogene Ungleichheit in der sozialen Herkunft und sozialen Komposition der Schulklassen zurückzuführen.
Die Autorinnen und Autoren heben hervor, dass ihren Befunden nach weder bildungspolitische Maßnahmen noch der Besuch von Kindertagesstätten signifikante Auswirkungen auf den Bildungserfolg haben. So würde es in beiden Bereichen kaum Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland geben.
Es wird auch betont, dass die migrantische Bevölkerung in West- und Ostdeutschland einige wesentliche Unterschiede aufweist. Beispielsweise unterscheiden sich die Herkunftsländer in West und Ost allein schon aus ihrem historischen Kontext heraus: Während die Arbeitsmigration in Westdeutschland bereits in den 1950er-Jahren im Rahmen von Anwerbeabkommen mit südeuropäischen Ländern und der Türkei begann, setzte die Arbeitsmigration in der damaligen DDR erst zu Beginn der 1980er Jahre im Zuge einer massiven Arbeitskräftelücke ein und erfolgte aus anderen Herkunftsländern: In der Produktion warb die DDR ca. 90 600 ausländische Arbeitskräfte an, von denen etwa zwei Drittel aus Nordvietnam stammten.
Doch es gibt auch viele Gemeinsamkeiten, wie der Artikel herausstellt: So bilden Menschen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion in Ost- als auch in Westdeutschland eine der größten Gruppen mit Migrationshintergrund. Und auch die Geflüchteten, die in den letzten Jahren nach Deutschland neu eingewandert sind, wurden sowohl auf die ost- als auch westdeutschen Bundesländer verteilt.
Für die Untersuchung wertete das wissenschaftliche Team Daten von 107.717 Neuntklässlern aus.
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- Authors
- Oliver Winkler, Malte Jansen, Aileen Edele
- Geographic area
- Deutschland
- Contributor type
- Akademiker und Experten
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