Social-Agenda-Issue-54-DE

© Belga Image Vom Binnenmarkt profitieren: Die Beschäftigungs-, Sozial- und Binnenmarktpolitik werden zu oft als gegensätzlich betrachtet, sie gehen jedoch Hand in Hand: So haben wir uns der Barrierefreiheit angenommen. SPECIAL FEATURE europäischer Ebene viel bewirken können, sogar in Bereichen, in denen wir keine starken vertraglich festgelegten Zuständigkeiten haben:WirkönnendieMitgliedstaatenunterstützen.IndemFallgab es ein Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Es war das erste Übereinkommen der Vereinten Nationen, das von der EU als solche – zusätzlich zu denMitgliedstaaten – unterzeichnet wurde! Für die Umsetzung des Übereinkommens gibt es eine Reihe von Verpflichtungen. Anstatt also abzuwarten, bis jedes EU-Land eigene Vorschriften für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen erarbeitet hat, wodurch der Binnenmarkt fragmentiert werden könnte, haben wir gesagt: Versuchen wir doch einen neuen Ansatz und beschließen wir, diesen Teil des Übereinkommens gemeinsam umzusetzen. Das kommt den Unternehmen zugute, da es ihnen einen Anreiz gibt, alle möglichen Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, für die sie sofort Zugang zum gesamten Binnenmarkt haben. Und es kommt den Verbrauchern der gesamten EU zugute: den Menschen, die diese Produkte und Dienstleistungen benötigen. Wenn Sie, wie ich, an den Binnenmarkt glauben, bedeutet das, dass es mehr Auswahlmöglichkeiten und günstigere Produkte und Dienstleistungen geben wird. Menschen mit Behinderungen werden daher über Geräte und Hilfsmittel verfügen, die ihnen Zugang zu Dienstleistungen und Produkten ermöglichen, die ihnen zuvor nicht zur Verfügung standen, wie Geldautomaten, E-Books usw. Dadurch könnten sie im Alltag unabhängiger werden, was genau das ist, was sie wollen: ihre eigenen Entscheidungen treffen können und nicht in allen Dingen von anderen abhängen. Ist das ein neuer Ansatz, dass die Sozialpolitik Binnen- marktinstrumente verwendet? Ja, ich war einige Jahre lang Mitglied des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments, daher weiß ich, wie der Binnenmarkt funktioniert und wie sich soziale und wirtschaftliche Angelegenheiten miteinander verbinden lassen. Ich denke, es ist eine innovative Art des sozialen Handelns. Die Binnenmarktpolitik, Beschäftigungspolitik und Sozialpolitik werden zu oft als gegensätzlich betrachtet, während ei- gentlich das Wirtschaftswachstum und die Sozialpolitik Hand in Hand gehen. So haben wir uns der Barrierefreiheit angenommen. Wir ar- beiten nicht mehr aneinander vorbei. Es steht auch im Vertrag: Bei der Entwicklung des Binnenmarkts müssen auch die sozialen Aus- wirkungen in Betracht gezogen werden. Es stehen auch horizontale Sozialklauseln im Vertrag, die wir sehr ernst nehmen. Das britische Referendumüber die EU-Mitgliedschaft sowie die anschließenden Brexit-Verhandlungen sind in Ihre Mandatszeit gefallen. Die Mobilität und der freie Personenverkehr in der EU sowie die damit einhergehende grenzüberschreitende Koordinierung der sozialen Sicherheit wurden zu einem besonders heiklen Thema. Sie mussten eine Weile warten, bevor Sie mit der Überarbeitung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern beginnen konnten … Ich war zu der Zeit tatsächlich überhaupt nicht froh darüber! Wir wussten, dass es harte Arbeit sein würde und dass wir Zeit benötigen. Aber am Ende mussten wir nur ein paar Monate TH M SP ZIAL 2 0 / SOZ I A L AG E NDA / M Ä R Z 2 0 1 9

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