Social Agenda Issue 53-DE

SOZ I A L AG E NDA / J U LY 2 0 1 7 / 1 9 Im Großen und Ganzen hat die materielle Entbehrung jedoch seit dem Höhepunkt der Krise in allen Beschäftigungsformen, insbesondere unter Zeitarbeitskräften, stetig abgenommen. 2016 erreichte sie ihren tiefsten Stand. Lohngefälle zwischen Männern und Frauen Und dann gibt es da noch das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen. Der Unterschied zwischen dem Durchschnittsverdienst von Männern und Frauen in Prozent des Durchschnittsverdientes der Männer lag 2016 bei 16,3 %. Dieser ist seit 2006 in der Union um fast 1,5 Prozentpunkte zurückgegangen. Gleichzeitig stieg die Frauenerwerbsquote langsam aber stetig an und erreichte 2017 einen Wert von 67 % gegenüber 63 % im Jahr 2013. Frauen verdienen noch immer 11,5 % weniger als Männer, bereinigt man die Gehaltsunterschiede um allgemeine geschlechtsspezifische Merkmale (Alter, Bildungsniveau, Berufsgruppe, Sektor, Arbeitsstunden und sonstige erfassbare Merkmale von Beschäftigten). 31 % der Gehaltsunterschiede lassen sich durch Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei diesen allgemeinen Merkmalen erklären. Doch die entscheidende Erklärung für das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen liefert die Aufteilung nach Wirtschaftssektoren: Frauen sind in den Niedriglohnsektoren (Grundschulbildung, Gesundheits- und Sozialwesen, Beherbergung und Gastronomie) überrepräsentiert. Unterrepräsentiert sind sie in besser bezahlten Sektoren wie Information und Kommunikation sowie Energieversorgung. Die Arbeitszeit (Vollzeit/Teilzeit) erklärt weitere 11 % des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen. Von besonderer Relevanz beim Thema Arbeitsweltveränderungen ist die Tatsache, dass der höhere Anteil von Frauen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen das Gefälle vergrößert: Frauen sind einem höheren Risiko der Karriereunterbrechung ausgesetzt, was dazu führt, dass es ihnen weniger häufig gelingt, einen unbefristeten Vertrag zu erhalten. Nichtsdestotrotz lässt sich ein Teil des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen entweder kulturell oder schlicht „nicht“ erklären: Es besteht noch immer ein Lohngefälle zwischen Männern und Frauen innerhalb von Sektoren, Berufsgruppen und Bildungsniveaus, wobei der mangelnde Zugang zu Führungspositionen weiterhin die deutlichste Form der Geschlechterungleichheit darstellt. Auch institutionelle und Lohngestaltungsmechanismen dürften in von Frauen dominierten Wirtschaftszweigen zum Lohngefälle beitragen. Nationale Zuständigkeit Der Jahresbericht 2018 zeigt, wie wichtig es ist, einkommensbasierte Bewertungen zum Wohlergehen der Beschäftigten um Aspekte wie materielle Entbehrung und Maßnahmen zur Schaffung von Wohlstand zu ergänzen. Mit der möglichen Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse ist bei einer Reihe von Ergebnissen wahrscheinlich mit bestimmten Verteilungseffekten zu rechnen. In der von führenden EU-Politikern 2017 proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte (siehe Sozial Agenda Nr.°50 und die vorhergehenden Artikel in diesem Thema Spezial) werden Geschlechterungleichheit und Arbeitsmarktsegmentierung (die Kluft zwischen Beschäftigten mit verschiedenen Arten von Verträgen) als Herausforderungen benannt. Die Säule fordert die EU-Länder auf, Maßnahmen zur Abschwächung nationaler Ungleichheiten zu fördern. In den Grundsätzen der Säule „gerechte Entlohnung“ und „Mindestlöhne“ werden diese Themen auch aufgegriffen, ebenso die Anerkennung der Geschlechtergleichstellung in Form eines gleichen Entgelts für Männer und Frauen. Alles in allem spornt die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten dazu an, gegen Ungleichheit vorzugehen. In der Tat ist es so, dass die politischen Hebel auf nationaler Ebene betätigt werden müssen. Kurz gesagt ist die Umsetzung der Grundsätze der Säule zu einem Großteil – und bei einigen ausschließlich – von den Maßnahmen der einzelnen EU-Länder abhängig. Ergebnisungleichheit: berufliche Möglichkeiten, Einkommen, Arbeitsbedingungen, Wohlergehen und Geschlechterungleichheit. © Belga Image SOZ I A L AG E NDA / NOV E MB E R 8

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