Social Agenda Issue 53-DE

Beunruhigende PISA- und PIAAC-Studien Der Bericht „Beschäftigung und soziale Lage in Europa“ 2018 zitiert zwei Umfragen, die vonder Organisation fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchgeführt wurden: • Die PISA-Studie 2015 (Programme for International Student Assessment). Bei der Bewertung von 15-jährigen Schülern in den Bereichen Naturwissenschaften, Mathematik, Lesekompetenz, kollaboratives Problemlösen und Finanzkompetenz zeigte sich, dass der Anteil der leistungsschwachen Schüler im untersten, stärksten benachteiligten Quartil mehr als das Vierfache (33,8 %) jener des obersten Quartils (7,6 %) betrug. • Die PIAAC-Studie 2012 (Programme for the International Assessment of Adult Competencies). Sie belegte, dass in jungen Jahren erfahrene Benachteiligungen bei den Kompetenzen fortbestehen, wenn die Jugendlichen erwachsen werden. Viele leistungsschwache PIAAC- Befragte schaffen es nicht, die Schwelle zur Beschäftigung zu überwinden. Aufgrund der raschen Entwicklung der Qualifikationen im heutigen digitalisierten Umfeld, ändert sich diese Schwelle auch immer rasanter und ist somit immer schwieriger zu überwinden. Die von der Europäischen Kommission im Jahr 2016 angenommene europäische Agenda für Kompetenzen (siehe Sozial Agenda Nr. 45) ist hier wegweisend. Sie enthält praktische Empfehlungen für die Einführung von Weiterqualifizierungsmöglichkeiten für Erwachsene (insbesondere für jene mit geringen Qualifikationen), die Förderung digitaler Kompetenzen und die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern in den einzelnen Wirtschaftszweigen bei der Bewältigung von Fachkräftemangel. Sie fördert auch die berufliche Aus- und Weiterbildung (siehe Seite 10). Geschlechterungleichheit Neben den ererbten sozialen Benachteiligungen zeichnet sich auch die Geschlechterungleichheit als eine der Hauptkomponenten der Chancenungleichheit ab. Von dieser Komponente ist die Hälfte der EU-Bevölkerung direkt betroffen. Obwohl die Lücke in der formalen Bildung zugunsten der Frauen geschlossen werden konnte und die Beschäftigungsquote von Frauen zunimmt, ist ihre Arbeitsmarktleistung immer noch niedriger als die der Männer. In den Beschäftigungsverhältnissen gibt es um 17 Millionen weniger Frauen als Männer. Darüber hinaus erhalten Frauen, sowie sie in ein Arbeitsverhältnis eintreten, niedrigere Löhne und sind in wichtigen Bereichen wie in der Informations- und Kommunikationstechnologie und MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) unterrepräsentiert. Nationale Institutionen und die Kultur (Einstellungen wie der Mann als Ernährer der Familie) sind zum Großteil eine Erklärung für die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Beschäftigung. Und auch die Tatsache, dass Steuer- und Sozialleistungssysteme beim Übergang von der Nichterwerbstätigkeit zur Erwerbstätigkeit oder beiderErhöhungderArbeitszeitofthoheeffektiveGrenzsteuersätze für Zweitverdiener (von denen die meisten Frauen sind) vorsehen. Frauen sind in Positionen mit geringeren Anforderungen an Kompetenz und Verantwortung überrepräsentiert. Männer haben im Vergleich zu Frauen eine um 30 % höhere Chance, in Positionen aufzusteigen, die ein höheres Kompetenzniveau erfordern. Bei gleichem Bildungsweg, der eine Benachteiligung deutlich sichtbar macht, sehen sich Frauen in ihrem Streben nach persönlicher Selbstverwirklichung auf dem Arbeitsmarkt einer systematischen Benachteiligung ausgesetzt. Im April 2017 wurde von der Europäischen Kommission ein weitreichenderVorschlagfüreinEU-GesetzzurVereinbarkeitvonBeruf und Privatleben für Eltern und Personen mit Betreuungsaufgaben vorgelegt (siehe Sozial Agenda Nr. 48). An der Spitze der Säule Im November 2017 wurde die Europäische Säule sozialer Rechte (siehe Sozial Agenda Nr. 50) von führenden EU-Politikern proklamiert. Die ersten drei ihrer zwanzig Grundsätze betreffen Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang. Die Säule lenkt nun die Politik der Kommission in Bezug auf Beschäftigung und Soziales sowie die Haushaltsvorschläge. Sie spielt auch eine Schlüsselrolle bei der Ausarbeitung jährlicher Empfehlungen an die Mitgliedstaaten über den Prozess des Europäischen Semesters für wirtschaftspolitische Koordinierung (siehe Sozial Agenda Nr. 52). Feuerwehrfrauen in Portugal: Frauen sind bei der individuellen Verwirklichung auf dem Arbeitsmarkt systematisch benachteiligt; bei gleicher Ausbildung wird die Benachteiligung sichtbar. © Belga Image SOZ I A L AG E NDA / NOV E MB E R 2 0 1 8 / 1 7

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