1. Einführung
Entsprechend der von der Regierung eingegangenen Verpflichtung, die Arbeitsanreize zu verstärken, die Armut und Abhängigkeit vom Sozialsystem zu verringern und das Familienleben zu fördern, wurden während des Berichtszeitraums die Arbeiten zur Gesamtüberprüfung des Wohlfahrtsstaates Vereinigtes Königreich zügig fortgesetzt. Im Laufe des Jahres wurden eine Reihe von Grünbüchern zur Beratung veröffentlicht. Darin werden die Vorschläge der Regierung in bezug auf die Rentenreform, die Umgestaltung der Leistungen bei Erwerbsunfähigkeit und Änderungen der Leistungen für Hinterbliebene sowie die wegweisende Einführung einer neuen Form von arbeitsorientierten Beratungsgesprächen für diejenigen, die einen Antrag auf Leistungen stellen, und die Einführung neuer, sog. Renten für Anleger (Stakeholder Pensions) erörtert. Viele dieser Vorschläge wurden in den Sozialreform- und Rentengesetzentwurf aufgenommen, der im Februar 1999 veröffentlicht wurde. Nähere Informationen zu diesem Gesetzentwurf, dem das Parlament voraussichtlich erst Mitte 1999 zustimmen wird, wird der Bericht für das kommende Jahr enthalten. Der vorliegende Bericht konzentriert sich daher auf die in den Grünbüchern veröffentlichten Vorschläge.
2. Sozialreform
Die Regierung setzt sich dafür ein, das britische Sozialversicherungssystem in einer umfassenden Weise und unter Beachtung geltender Grundsätze zu verbessern und zu modernisieren, so daß mehr Gerechtigkeit geschaffen und die Chancen verbessert werden. Im März 1998 wurde ein Grünbuch mit dem Titel "Neue Ziele für unser Land: ein neuer Vertrag für die soziale Sicherheit" (New ambitions for our country: a new contract for welfare) zur Beratung veröffentlicht, in dem die Philosophie der Regierung für den Wohlfahrtsstaat vorgestellt wird: "Arbeit für diejenigen, die zu arbeiten in der Lage sind, Sicherheit für diejenigen, die es nicht sind".
In dem Grünbuch spricht sich die Regierung dafür aus, die Sozialreform auf der Grundlage eines neuen Vertrages zwischen den Bürgern und der Regierung durchzuführen, der von einem Wohlfahrtsstaat ausgeht, von dem alle profitieren, dem jedoch gerechte und eindeutige Kriterien zugrunde liegen. Darüber hinaus nennt das Grünbuch erstmals eine Reihe von Richtwerten für den Erfolg, die in den kommenden 10 bis 20 Jahren erreicht werden sollen. Unter anderem hofft die Regierung, bei Abschluß des Reformprozesses folgende Ziele erreicht zu haben:
Zur Untermauerung dieser Ziele wurden seit März 1998 eine weitere Reihe von Grünbüchern zur Beratung veröffentlicht. Im folgenden finden sich hierzu nähere Informationen.
3. Altersrenten
Im Dezember 1998 wurde ein umfangreiches Grünbuch mit dem Titel "A new contract for welfare: Partnership in Pensions" zur Beratung veröffentlicht. Dieses Grünbuch nennt eine Reihe von Vorschlägen, die sich mit der zukünftigen Entwicklung sowohl der staatlichen als auch der ergänzenden Altersrenten befassen. Der wichtigste Vorschlag lautet, das staatliche, entgeltbezogene Rentensystem (der zweiten Stufe) (SERPS) abzuschaffen und durch eine staatliche Zweitrente (State Second Pension, kurz SSP) zu ersetzen, um so das Ruhegehalt derjenigen zu verbessern, die nur ein geringes Erwerbseinkommen beziehen oder nicht erwerbstätig sind, weil sie Pflichten in der Erziehung der Kinder oder der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger übernommen haben. Dies steht im Einklang mit dem Ziel der Regierung, allen Bürgern die Chance auf ein angemessenes Einkommen im Ruhestand zu bieten, denjenigen, die dazu in der Lage sind, Möglichkeiten für eine zusätzliche Altersvorsorge zu schaffen und denjenigen, die dazu nicht in der Lage sind, genügend Sicherheit zu bieten. Das Grünbuch enthält folgende Vorschläge:
Darüber hinaus hat die Regierung die Bereitstellung von Geldern in Höhe von GBP 2.500 Millionen für die heutigen Rentner angekündigt, mit denen u.a. ein neues garantiertes Mindesteinkommen finanziert werden soll, das im Rahmen des einkommensabhängigen Sozialhilfesystems (Income Support) gewährt werden und ab April 1999 für alleinstehende Rentner GBP 75, für Paare GBP 116,60 pro Woche betragen soll. Zu den weiteren Maßnahmen gehören ein Heizkostenzuschuß (Winter Fuel Payment) in Höhe von GBP 20 für alle anspruchsberechtigten Rentenhaushalte (bzw. GBP 50 für Rentenhaushalte, die Income Support beziehen) sowie ab April 1999 für alle Rentner kostenlose Sehtests.
4. Hinterbliebenenrenten
Im November 1998 wurde ein Grünbuch mit dem Titel "A New Contract for Welfare: Support In Bereavement" zur Beratung veröffentlicht. Es nennt Vorschläge für eine Modernisierung der Leistungen für Witwen und Witwer. Die wichtigsten Vorschläge lauten wie folgt:
Frauen, die bereits zum jetzigen Zeitpunkt Witwen sind, bleiben von diesen, voraussichtlich zum April 2001 in Kraft tretenden Vorschlägen ausgenommen.
5. Erwerbsunfähigkeitsrenten
Als Reaktion auf die wachsende Besorgnis, das aktuelle System der staatlichen Erwerbsunfähigkeitsrenten verfehle sein Hauptziel, nämlich den Bedürftigsten auch die meiste Hilfe zukommen zu lassen, hat die Regierung im Oktober 1998 ein Grünbuch mit dem Titel "A New Contract for Welfare: Support for Disabled People" zur Beratung veröffentlicht. In diesem Grünbuch werden Pläne vorgestellt, um den bedürftigsten unter den behinderten Menschen eine größere Sicherheit zu bieten und arbeitsfähigen Behinderten mehr Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen. Zu den wesentlichen Vorschlägen zählen u.a.:
Zum Oktober 1999 wird die derzeitige, einkommensabhängige Disability Working Allowance - eine Geldleistung für erwerbstätige Behinderte - durch eine Steuergutschrift für behinderte Personen, den sog. Disabled Persons Tax Credit ersetzt. Die Verwaltung dieses neuen Systems aus auszuzahlenden Steuergutschriften soll von der Finanzverwaltung übernommen werden. Mit dem System wird ein neuer Arbeitsanreiz geschaffen, da es sicherstellt, daß kranke und behinderte Menschen mit geringem Einkommen besser gestellt sind, wenn sie einer Beschäftigung nachgehen, statt ausschließlich von Sozialleistungen zu leben.
6. Familienbeihilfen
Steuergutschrift für Erwerbstätige mit Familie (Working Families Tax Credit/WFTC)
Mit dem Haushaltsplan vom März 1998 wurde vorgeschlagen, den aktuellen, bedarfsabhängig gewährten "Family Credit" (eine Geldleistung) ab Oktober 1999 durch eine Steuergutschrift für Erwerbstätige mit Familie, die sog. WFTC zu ersetzen. Die WFTC soll als auszuzahlende Steuergutschrift eine Hilfe in Höhe von GBP 4,2 Millionen pro Jahr bereitstellen, die etwa 1,4 Millionen erwerbstätigen Familien zugute kommen wird. Für die Verwaltung der WFTC, die ab April 2000 über die Lohntüte an die Arbeitnehmer ausgezahlt werden soll, wird die Finanzverwaltung zuständig sein.
Dank der WFTC wird sich die Ausübung einer Erwerbstätigkeit für Familien mit Kindern auszahlen. Sie wird zu einer Verbesserung der Arbeitsanreize beitragen, die Bereitschaft von Arbeitslosen zur Aufnahme einer Beschäftigung erhöhen und Erwerbstätigen, die eine relativ gering vergütete Tätigkeit ausüben, zu einem besseren Einkommen verhelfen.
Die WFTC ist ein zentrales Element des umfassenden Reformprogramms des Steuerwesens und der Sozialleistungen der Regierung und stellt einen bedeutenden Schritt in dem Bemühen um eine stärkere Integration von Steuer- und Leistungssystem dar. Ergänzt wird dieses Programm durch grundlegende Änderungen des Sozialversicherungssystems (siehe diesen Bericht, Abschnitt 10). Die von der Regierung gewählte Strategie, um den Übergang vom Sozialleistungsbezug in die Erwerbstätigkeit zu erleichtern, soll ab April 1999 durch einen Mindestlohn untermauert werden. Durch die Einführung der WFTC wird die Ausübung einer Beschäftigung lohnenswert, denn dank dieser Leistung,
7. Kinderbetreuung
Zur Zeit arbeitet die Regierung an einer Nationalen Strategie für Kinderbetreuung (National Childcare Strategy), die es Eltern und insbesondere Müttern ermöglichen soll, Familien- und Berufsleben zu vereinbaren. Als Ziel wird für England die flächendeckende Bereitstellung einer qualitativ hochwertigen, erschwinglichen Betreuung von Kindern bis zu 14 Jahren angestrebt. Vergleichbare Strategien werden auch für Schottland und Wales erarbeitet.
Im Mai 1998 wurde ein Grünbuch mit dem Titel "Meeting the Childcare Challenge" zur Beratung veröffentlicht. Es umreißt drei Schritte hin zu einer nationalen Strategie für die Kinderbetreuung:
8. Kinderunterhalt
Das im Juli 1998 zur Beratung veröffentlichte Grünbuch mit dem Titel "Children First: A new Approach to Child Support" stellt eine grundlegende Reform des Systems für den Kinderunterhalt vor. Die Regierung will sicherstellen, daß eine größere Zahl von sorgepflichtigen Eltern von dem abwesenden Elternteil regelmäßig Zahlungen für den Unterhalt ihrer Kinder erhalten.
9. Leistungsverwaltung
Je nach der Leistung, die beantragt werden soll, nehmen die Antragsteller das Leistungssystem heute auf zahlreiche Arten und über unterschiedliche Wege in Anspruch. Dies ist ineffizient und löst bei den Antragstellern Unsicherheiten aus. Die für die verschiedenen Leistungen erforderlichen Daten müssen bei unterschiedlichen Ämtern, an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten bekanntgegeben werden. Um diesen Problemen zu begegnen, hat die Regierung im Oktober 1998 ein Grünbuch mit dem Titel "A New Contract for Welfare: A Gateway to Work" zur Beratung veröffentlicht. Es enthält Vorschläge über die Einführung eines besser abgestimmten, effizienteren Leistungssystems, wo alle Sozialleistungen bei einer Anlaufstelle beantragt werden können und jeder, der zu arbeiten in der Lage ist, bei der Suche nach einem Arbeitsplatz die erforderliche Hilfe und Unterstützung erhält.
Im Rahmen dieser Methode - dem sog. einheitlichen, arbeitsorientierten Zugang (Single Work-Focused Gateway)- können die Dienste des Amtes für Arbeitsmarktdienste , des Leistungsamtes sowie anderer Fürsorgeanbieter (einschließlich der Kommunalbehörden, die für die Verwaltung des Wohngeldes zuständig sind, und des für den Kinderunterhalt zuständigen Amtes, ) alle bei einer Anlaufstelle in Anspruch genommen werden. Allen neuen Antragstellern im erwerbsfähigen Alter wird ein persönlicher Berater zur Seite gestellt, der ihnen hilft, die richtige Wahl zu treffen. Um zu gewährleisten, daß diese Methode möglichst schnell und effizient ist, werden Verfahren der modernen Technik u.a. auch Call Center zum Einsatz kommen. Als Ziel wird eine völlig neue Kultur angestrebt, bei der die Arbeit im Vordergrund steht und die sich auf einen modernen, integrierten Service für alle Bereiche gründet. Die Single-Gateway-Methode soll in drei Stufen eingeführt werden:
Erste Stufe: Ab Juni 1999 können in vier Regionen des Landes Personen im erwerbsfähigen Alter bei einem Antrag auf Leistungen alle Auskünfte, die im Zusammenhang mit der Arbeit, den Leistungen und Steuergutschriften, den Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten, dem Wohnen und sonstigen staatlichen Diensten relevant sind, bei einer Anlaufstelle erfragen. Ein persönlicher Berater wird ihnen dabei helfen, ihren Weg zurück in die Unabhängigkeit zu planen, während er gleichzeitig dafür sorgen wird, daß sie die ihnen zustehenden Leistungen erhalten.
Zweite Stufe: Ab November 1999 soll diese Methode durch die Einrichtung von Telefondiensten, sog. Call Centers, die den Betroffenen einen leichteren Zugang zum Leistungssystem ermöglichen, auf vier weitere Regionen ausgeweitet werden. In wieder vier anderen Regionen sollen der private Sektor und ehrenamtliche Einrichtungen aufgefordert werden, ihre eigenen, innovativen Lösungen vorzustellen.
Dritte Stufe: Ab April 2000 (wobei dies vom Stand der Gesetzgebung abhängt) werden neue Antragsteller ein Gespräch mit einem persönlichen Berater führen müssen, in dessen Verlauf über ihre Aussichten auf eine Arbeitsstelle gesprochen wird. Diese Pflicht zu einem Gespräch soll zunächst unter Berücksichtigung der individuellen Umstände in jenen Regionen eingeführt werden, in denen die Single-Gateway-Methode erprobt wurde.
10. Finanzierung
Das Beitragssystem der Sozialversicherung betreffend leitet die Regierung zur Zeit die größte Reform seit über 20 Jahren ein. Das im Haushaltsplan vom März 1998 angekündigte, drastische Maßnahmenpaket wird zu einer Verbesserung der Arbeitsanreize führen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze anregen. Als wichtigste Maßnahme ist eine Änderung der Beitragsstruktur geplant.
Gegenwärtig ist das gesamte Erwerbseinkommen sozialversicherungspflichtig, sobald die untere Verdienstgrenze (LEL), die für 1998/99 auf GBP 64 pro Woche festgesetzt wurde, erreicht ist. Nach den angekündigten Änderungen werden die Arbeitnehmer ab April 1999 von den Sozialversicherungsbeiträgen für Erwerbseinkommen unter der LEL befreit. Längerfristig, d.h. sobald Maßnahmen zur Wahrung des Leistungsanspruchs eingeführt werden können, wird die untere Verdienstgrenze, ab der die Beitragspflicht für Arbeitnehmer einsetzt, an den Einkommensteuerfreibetrag für Alleinstehende angepaßt.
Für die Arbeitgeber werden vergleichbare Änderungen eingeführt, da sie für Entgelt unter der LEL zukünftig keine Sozialversicherungsbeiträge mehr abführen müssen und die untere Verdienstgrenze, ab der die Beitragspflicht einsetzt, an den Einkommensteuerfreibetrag für Alleinstehende angepaßt wird. Dies bedeutet, daß der Arbeitgeber ab April 1999 nur für den Teil des an seinen Mitarbeiter gezahlten Arbeitsentgelts der Beitragspflicht unterliegt, der GBP 83 pro Woche überschreitet. Darüber hinaus wird das derzeitige System, das eine Vielzahl von Arbeitgeberbeitragssätzen vorsieht, durch einen einheitlichen Beitragssatz ersetzt.
11. Organisation
Das Beitragsamt - das die Aufgabe hat, für die Einhaltung des Gesetzes über die Sozialversicherungsbeiträge Sorge zu tragen, die Beitragsdaten der Versicherten zu verwalten und beitragsrelevante Informationen an das Leistungsamt weiterzuleiten - soll im April 1999 in der Finanzverwaltung aufgehen. Diese Maßnahme wird eine bessere Abstimmung von Einkommensteuern und Sozialbeiträgen ermöglichen. Durch die Zusammenlegung der beiden Ämter können sich die Bürger zukünftig mit allen Fragen zu Steuern und zur Sozialversicherung an ein- und dieselbe Anlaufstelle wenden. Darüber hinaus garantiert diese Maßnahme, daß die Dienste auf effizientere und effektivere Weise erbracht werden.
12. Änderung der Leistungssätze
Die Leistungssätze wurden mit Wirkung vom April 1998 an die Entwicklung der Einzelhandelspreise angepaßt. Die beitragsbezogenen Leistungen (z.B. Alters- und Witwenrenten, Erwerbsunfähigkeitsrenten usw.) wurden um 3,6% erhöht, die einkommensabhängigen (z.B. Beihilfe zur Einkommenssicherung und Beihilfe zur Einkommenssicherung für Familien mit niedrigem Einkommen, Wohngeld usw.) um 2,4%.
13. Jüngste Gesetzesänderungen
Im Mai 1998 erhielt das Sozialversicherungsgesetz 1998 die königliche Zustimmung. Das Gesetz sieht folgendes vor: