Luxemburg

1. Einführung einer Pflegeversicherung

Per Gesetz vom 19. Juni 1998 wurde das luxemburgische Sozialversicherungssystem durch eine Pflegeversicherung ergänzt. Hierbei handelt es sich um einen neuen Sozialversicherungszweig, der die Möglichkeit schafft, den Bedürfnissen pflegebedürftiger Menschen durch die Finanzierung der Hilfe und Pflege, auf die sie angewiesen sind, gerecht zu werden. Als pflegebedürftig gelten Personen, die wegen einer körperlichen oder geistigen Krankheit oder Behinderung für die wesentlichen Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, d.h. in bezug auf die Mobilität, die Körperpflege und die Ernährung, in erheblichem Umfang und regelmäßig der Hilfe bedürfen. Die Pflegeversicherung funktioniert nach den Grundsätzen der Krankenversicherung und ist eine Pflichtversicherung. Der Beitrag, den der Versicherte zu zahlen hat, wurde auf 1% seines Gesamteinkommens festgesetzt. Der Staat beteiligt sich mit einem Anteil von 45% an den Gesamtausgaben der Pflegeversicherung; dieser wird aus dem Staatshaushalt finanziert.

In den Schutz der Pflegeversicherung sind der Versicherte sowie seine Familienangehörigen einbezogen.

Die Geld- und Sachleistungen werden seit dem 1.1.1999 bewilligt:

Gemäß Pflegegesetz haben die Sachleistungen eindeutig Vorrang vor den Geldleistungen. Folglich wird der professionellen Versorgung der Vorrang eingeräumt, wodurch die Qualität der Pflege garantiert werden soll.

Bei häuslicher Pflege sieht das Gesetz außerdem die Möglichkeit vor, die Sachleistung ganz oder teilweise durch eine Geldleistung zu ersetzen (Kombinationsleistung). Die ersatzweise gewährte Geldleistung entspricht der Hälfte des für die entsprechende Sachleistung festgesetzten Wertes. Zudem sind die für die Hilfe und Pflege bewilligten Stunden, die durch eine Geldleistung ersetzt werden können, begrenzt:

Es erfolgt eine Kompensationszahlung in der Höhe von LUF 750 pro in Anspruch genommene Stunde Hilfe oder Pflege, falls Geldleistungen durch Sachleistungen ersetzt werden.

Die Pflegebedürftigkeit im Sinne des Gesetzes setzt einen gewissen Schweregrad voraus. Das Gesetz spricht von einem erheblichen, regelmäßigen Hilfebedarf. Es führt weiter aus, daß der Pflegebedürftige mindestens dreieinhalb Stunden pro Woche, d.h. eine halbe Stunde pro Tag auf Hilfe und Pflege angewiesen sein muß, und zwar auf Dauer, voraussichtlich aber mindestens für sechs Monate.

Darüber hinaus sieht das Gesetz Leistungen für Pflegekräfte vor, die nicht im Auftrag eines professionellen Pflegedienstes tätig sind (private Pflegepersonen). So werden die Rentenversicherungsbeiträge dieser Personen von der Pflegeversicherung übernommen. Desweiteren haben sie die Möglichkeit, einen Jahresurlaub in Anspruch zu nehmen, denn das Gesetz sieht für einen Zeitraum von drei Wochen pro Jahr die doppelte Geldleistung und für den Fall, daß der Pflegebedürftige während dieser drei Wochen vorübergehend in einer stationären Einrichtung versorgt wird, die Übernahme der erforderlichen Hilfe und Pflege vor.

Träger der Pflegeversicherung ist der Verband der Krankenkassen. Die Evaluierung der Leistungsbezieher obliegt der Begutachtungs- und Orientierungsstelle, die sich aus Vertretern mehrerer Berufsgruppen zusammensetzt (Mediziner, Psychologen, Sozialarbeiter, Ergotherapeuten, Bewegungstherapeuten, Krankenpfleger und psychiatrisch ausgebildete Krankenpfleger). Zur Feststellung des besonderen Pflegebedarfs eines Pflegebedürftigen ist eine objektive, individuelle Begutachtung vorzunehmen. Die Begutachtungs- und Orientierungsstelle bewertet den Grad der Pflegebedürftigkeit, indem sie die zur Deckung des Pflegebedarfs erforderlichen Dienste zugrunde legt. Dieser Grad wird ausgedrückt als die Zeit, die an Hilfe und Pflege notwendig ist, was wiederum die Festsetzung der Leistungen ermöglicht. Eine Pflegestunde entspricht in der stationären Pflege einem Geldwert von LUF 1.420 , in der häuslichen Pflege einem Geldwert von LUF 1.500.

 

2. Rentenreform im öffentlichen Dienst

Um die Kosten des Altersrentensystems für den öffentlichen Dienst zu senken und eine weitere Annäherung an das System des privaten Sektors zu erzielen, wurde das Rentensystem für den öffentlichen Dienst einer einschneidenden Reform unterzogen. Diese führte zu Kontroversen unter den öffentlichen Bediensteten, die ihre Ansprüche infolge der Reform eingeschränkt sehen. Jedoch wurde ein Übergangssystem eingeführt, um zu verhindern, daß die Ansprüche der bereits im öffentlichen Dienst Beschäftigten zu stark gemindert werden.

Zur Durchführung der Reform wurden zwei neue Gesetze erlassen:

1. Mittels des ersten Gesetzes wurde ein Übergangssystem für Beamte oder gleichgestellte Personen eingeführt, die am 31. Dezember 1998 bereits im öffentlichen Dienst tätig waren. Die Merkmale des alten Systems bleiben erhalten, d.h. die Rente wird anhand der zuletzt an den Antragsteller gezahlten Dienstbezüge berechnet. Die Höhe der Leistung verringert sich jedoch im Laufe dieser Übergangsphase schrittweise um etwa 13%. Der Leistungssatz für Dienstjahre wird ab dem 1.1.1999 progressiv von 83,33% auf 72% gesenkt.

Für öffentliche Bedienstete, die bereits im Vorruhestandsalter (55 bzw. 60 Jahre) die erforderlichen Dienstjahre (35 bzw. 41 Jahre) nachweisen können, erhöht sich die Pension jedoch mit jedem weiteren Dienstjahr um 2,31% ihrer anrechnungsfähigen Bezüge. Daher haben sie die Möglichkeit, mit 60 bzw. 65 Jahren eine Pension in Höhe von 5/6 (83,33%) ihrer letzten Bezüge geltend zu machen, d.h. also den gemäß dem früheren Recht geltenden Pensionshöchstsatz.

Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens laufenden Renten sind von der Reform ausgenommen.

2. Mit dem zweiten Gesetz wurde ein neues System für diejenigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst eingeführt, die ihren Dienst nach dem 31. Dezember 1998 aufnehmen. Dieses neue System ist ebenfalls ein Sondersystem; es ist jedoch nach den Grundsätzen des allgemeinen Systems konzipiert und weist die folgenden Merkmale auf:

Einige Besonderheiten des ehemaligen, beitragsunabhängigen Systems werden jedoch beibehalten. Es gibt weder eine Bemessungsgrenze noch eine Höchstgrenze bei der Rentenfestsetzung. Auch die für das Pensionierungsverfahren geltenden Besonderheiten bleiben bestehen, und finanziert wird das System per Budgetierung über einen Pensionsfonds.

Träger des neuen Sondersystems für Beamte ist die Verwaltung der Beschäftigten im Staatsdienst.

Auch auf die Angestellten der luxemburgischen Eisenbahn und die städtischen Beamten findet dieses neue Rentensystem Anwendung.

 

3. Familienpolitische Maßnahmen

Seit dem 1.1.1999 wird das Kindergeld jährlich um 12.000 LUF pro Jahr und Kind erhöht, während zum gleichen Zeitpunkt die Kinderfreibeträge entsprechend gekürzt wurden. In der Kombination haben diese beiden Maßnahmen eine selektive Wirkung, denn es profitieren zwar alle Haushalte von der Erhöhung des Kindergeldes, aber durch die geringere Steuerermäßigung wird diese Erhöhung des Haushaltseinkommens progressiv ausgeglichen, so daß für jene Haushalte, die die Steuerermäßigung aufgrund ihres entsprechend hohen Einkommens in voller Höhe ausschöpfen können, das verfügbare Einkommen unverändert bleibt.

Die neuen Kindergeldbeträge sehen wie folgt aus:

5.371 LUF (133,1436 Euro): bei einen Kind

13.102 LUF (324,7901 Euro): bei zwei Kindern

24.459 LUF (606,3228 Euro): bei drei Kindern

35.808 LUF (887,6571 Euro): bei vier Kindern

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, daß die Kinderzulage zum garantierten Mindesteinkommen entsprechend gekürzt wurde.

 

4. Neufestsetzung der Leistungen

Einige Sozialleistungen wurden durch eine lineare Erhöhung um 1,3% angehoben. Diese Erhöhung basiert in erster Linie auf dem Gesetz vom 11. Dezember 1998, mit dem die Renten an die Löhne und Gehälter von 1997 angepaßt wurden. Eine Studie über die Entwicklung der Durchschnittslöhne und -gehälter kam zu dem Ergebnis, daß diese zwischen 1995 und 1997 um 1,3% gestiegen sind. Daher wurde der Anpassungsfaktor (d.h. der Faktor, mit dem die Anpassung der Renten an die Lohnentwicklung berechnet wird) von 1.203 auf 1.219 Punkte erhöht. Diese Anpassung der Renten und Unfallrenten ist die erste, die für die Rentenempfänger der Privatwirtschaft und Pensionsempfänger gleichermaßen gilt.

Um die vorhandene Spanne zwischen Sozialversicherungs- und Sozialhilfeleistungen aufrechtzuerhalten, wurden die im Zusammenhang mit dem garantierten Mindesteinkommen geltenden Untergrenzen um denselben Prozentsatz angehoben. Mit demselben Ziel, der Aufrechterhaltung des vorhandenen Gleichgewichts, wurde per Gesetz vom 23. Dezember 1998 auch der soziale Mindestlohn um 1,3% erhöht.

 

5. Entwicklung der Beitragssätze zur Krankenversicherung

Am 31. Dezember 1997 belief sich das Gesamtdefizit der Krankenversicherung auf insgesamt 785 Mio. LUF; allein 641 Mio. (d.h. 82%) allein für Geldleistungen an Arbeiter. Daher beschloß der Verband der Krankenkassen, die Beitragssätze der drei Zweige zum 1.1.1998 zu erhöhen. Seit 1997 haben sich die Beitragssätze wie folgt entwickelt:

  1.1.1997 1.1.1998 1.1.1999
Zweig Sachleistungen 5,0% 5,1% 5,14%
Zweig Geldleistungen
(ohne Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber)
4,2% 5,0% 4,2%
Zweig Geldleistungen
(mit Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber)
0,2% 0,3% 0,24%

 

 

Die 1998 vorgenommene, massive Erhöhung des Beitragssatzes für Geldleistungen hatte den vollständigen Ausgleich des während der vorangegangenen Rechnungsjahre entstandenes Defizits zur Folge. Die Beitragssätze konnten daher zum 1. Januar 1999 wieder auf ihr früheres Niveau gesenkt werden.

Schließlich ist zu erwähnen, daß die Beitragssätze in den anderen Sozialversicherungszweigen unverändert blieben.

 

6. Arbeitsbefreiung für werdende Mütter

Eine weitere Gesetzesänderung ist zu erwähnen, sie betrifft das Arbeitsrecht betrifft und wirkt sich auch auf das Sozialversicherungsrecht aus. Es handelt sich um eine Änderung des Mutterschutzgesetzes für erwerbstätige Frauen, die zur Umsetzung der entsprechenden europäischen Richtlinie in luxemburgisches Recht erforderlich war. Festzuhalten ist die Einführung eines Verbots, das den Einsatz von Schwangeren, Wöchnerinnen und stillenden Müttern an einem Arbeitsplatz untersagt, an dem sie einem der in dem besagten Gesetz aufgeführten Risiken ausgesetzt sind. Sofern der Arbeitgeber nicht in der Lage ist, der betreffenden Arbeitnehmerin einen anderen Arbeitsplatz zuzuweisen, wird sie von der Arbeit freigestellt. Während der Arbeitsbefreiung hat sie Anspruch auf Mutterschaftsgeld, das aus dem Staatshaushalt finanziert wird.

 

7. Geplante Maßnahmen

1. Durch einen Gesetzentwurf, der sich mit den Zusatzrentensystemen befaßt, sollen bestimmte , in diesem Bereich erlassene Gemeinschaftsrichtlinien in luxemburgisches Recht umgesetzt werden. Mit diesem in der Regierungserklärung vom 22. Juli 1994 angekündigten Gesetzentwurf wird ein Rahmengesetz für betriebliche Zusatzrentensysteme geschaffen. Das Gesetz soll die Ansprüche bei Verlegung oder Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens regeln; darüber hinaus garantiert es die Gleichbehandlung von Mann und Frau sowie die Aufrechterhaltung der Ansprüche für den Fall, daß der Versicherte seine berufliche Tätigkeit in zwei oder mehr Ländern der Europäischen Union ausübt.

Während es den Unternehmen weiterhin freisteht, ein Zusatzrentensystem einzuführen oder nicht, legt das Gesetz die Regeln fest, die im Zusammenhang mit einem betrieblichen Zusatzrentensystem insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der Zusagen und die Ansprüche der Versicherten zu beachten sind.

Da sich der Gesetzentwurf in den das beitragsabhängige System der Privatwirtschaft, die gesetzlichen Systeme des öffentlichen Dienstes und die Zusatzrentensysteme umfassenden Gesamtaufbau der Rentensysteme einfügt und darauf abzielt, sowohl in bezug auf die Leistungen als auch hinsichtlich der Beiträge mehr Konvergenz zu erzielen, sind nur die Rückstellungen für eine Zusatzrente steuerlich absetzbar; diese wird anhand der Differenz zwischen der Höchstrente des neuen gesetzlichen Systems und der theoretischen Höchstrente des beitragsabhängigen Systems berechnet. Daneben sieht der Gesetzentwurf steuerrechtliche Bestimmungen vor, die eine einheitliche Behandlung von betrieblichen und außerbetrieblichen Systemen ermöglichen.

2. Eine der im Rahmen des nationalen Aktionsplanes für Beschäftigung vorgesehenen Maßnahmen steht direkt mit der sozialen Sicherung in Zusammenhang, nämlich die Einführung eines Erziehungsurlaubs gemäß den folgenden Modalitäten:

Selbständige sollen ebenfalls einen Erziehungsurlaub von 6 Monaten in Anspruch nehmen können.

3. Desweiteren ist geplant, einen Urlaub aus familiären Gründen einzuführen, der bei Erkrankung eines Kindes an bis zu zwei Tagen pro Jahr geltend gemacht werden kann. Für den Fall einer schweren Erkrankung ist eine Verlängerung dieses Urlaubs vorgesehen.